Er war
Internist. Nennen wir ihn Dr. Herz. Also Dr. Herz war etwa Mitte fünfzig, er
war einer der besten Internisten dieser zweisprachigen Stadt. Wie wir darauf
gekommen waren uns, nachdem ich ihm meine „Beratung“ für die Medikamente die
ich präsentieren musste vorgestellt hatte, über Essen und vor allem Trinken zu unterhalten
begannen weiss ich nicht mehr. Jahrelang tauschten wir Adressen von guten
Speiselokalen in der Gegend aber auch in Städten wie Paris, Barcelona, Venedig, Wien, Lugano und noch
viele andere aus. Auch Wein und Schnapslieferanten, sowie gute
Feinkostgeschäfte wurden diskutiert.
Wie es
dazugekommen war, ihm von meinem Hausarzt zu erzählen weiss ich wirklich nicht
mehr.
Hier nun die
Geschichte einer quasi-Adoption in gewissem Sinne.
Als sehr junger
Ärztebesucher kam ich eines Vormittags zu einem Arzt in der Umgebung von Neuchâtel.
Es war wohl der dritte Besuch dieses sehr sympathischen Mittvierzigers. Ich war
sehr stark erkältet, sodass der Arzt mich zwangsmässig untersuchte und nach
meinen Rauchgewohnheiten fragte—dies mit
einer Zigarette im Mund—.Ich antwortete ehrlich so etwa achtzig bis hundert
Camels pro Tag zu konsumieren. Er sah sich daraufhin meine Lunge im alten
Durchleuchtungs-Gerät an. Schlimmes hat er nicht entdeckt, ich war ja auch erst
mitte zwanzig! Während ich mich wieder anzog verschwand der Arzt in dem
Wohnteil des Hauses und kam nach einigen Minute zurück. Er trug vier Flaschen
mit sich, je zwei pro Hand so zwischen die Finger geklemmt. Links sah ich
Rotwein rechts irgendeine goldgelbe Flüssigkeit. Dies ist ihre Therapie, ich
schreibe sie eine Woche lang krank. Die Dosierung des Bordeaux, Cognacs und Armagnacs
überlasse ich ihrer Vernunft. Dann gab er mir das, auf ein Rezeptzettel
hingeworfene Zeugnis und entliess mich nach Hause. Seither war er mein Hausarzt!
und nie in den über zwanzig Jahren in denen er mich und auch meine damalige
Frau behandelte habe ich eine Rechnung erhalten, nein auf meine Frage hin wurde
er echt wütend und sagte: das wäre wie wenn ich die Behandlung meiner Familie
der Krankenkasse verrechnen würde, ich würde mich in Grund und Boden schämen.
Zurück zu
meiner Krankheit und der verschriebenen Therapie. Die zwei Flaschen Rotwein
waren sehr gut. Was die anderen Flaschen betraf war ich doch irgendwie
schockiert, der Cognac war eine „Grand Champagne“ von sage und schreibe 1888
und der Armagnac war auf das Jahr 1898 datiert.
Ich trank den
Wein in drei bis vier Tagen aus, die Edelbrände überlebten viele Monate.
Bei meinem
nächsten Besuch bei meinem nun nicht nur Kunden sondern Leibarzt erfuhr ich
welche Bewandtnis die Schnäpse hatten. Er erzählte mir, dass er als junger
Assistenzarzt ein Angebot eines Patienten im Universitätsspital Lausanne
einfach nicht ausschlagen konnte. Je ein Fässchen von etwa hundert Litern
Cognac und Armanac’s zum Selbstkostenpreis zu kaufen, als Dank für die gute
Betreuung. Diese Zusage war der Grund meines ersten seriösen Ehekrachs, sagte
er mir lachend. In Laufe der Jahre habe ich immer mal wieder beim Vernichten
des Schnapsvorrats helfen dürfen.
Zurück zu
Doktor Herz. Er war sehr erstaunt aber
auch gerührt von der Geschichte, was noch deutlicher hervorstach war seine grosse
Neugier der Schnäpse wegen. Ich versprach ihm das nächste Mal die beiden
Flaschen mitsamt den Neigen mitzubringen. Gesagt getan ich kam mit zwei
Flaschen welche noch etwa je einen Viertel ihres Inhalts enthielten zu ihm. Der
Inhalt wurde berochen und auch probiert—in homöopathischen Dosen probiert—versteht
sich. Wie gross war mein Erstaunen, als Doktor Herz sichtlich tief berührt zu
seinem Schrank ging und mir einen Dreierkarton mit je einer Flasche aus seinem
Keller schenkte.
Es war wie die Dreifaltigkeit: Petrus, Margaux und Laffite Rothschild
! alle Jahrgang 1961 !!!!!!
Ja damals
hatten noch viele Ärzte ein grosses „ Savoir-vivre“