Donnerstag, 8. Juni 2017

Einfach weg wie Trockeneis in der Sonne

Waren Sonja und Ken ein Paar oder nur eine Art Interessengemeinschaft. Zusammenwohnen taten sie eigentlich fast nur an Wochenenden sonst lebten sie parallel. Seit nun einigen Monaten hatte Ken im selben Hochhaus und nur eine Etage tiefer eine genau gleich geschnittene Zweizimmerwohnung gefunden.
Ob das Wochenende und die Feiertage oben oder unten verbracht wurden war nie zur Diskussion gestanden, es funktionierte eben einfach.
Abends nach der Arbeit trafen sie sich in der, im Erdgeschoss des Nachbarhauses gelegenen Pizzeria, zum Aperol-Spritz und entschieden spontan, ob sie etwas essen und dann zusammen in eins der beiden Betten hüpfen, oder ob jeder für sich mit einer mitgenommene Pizza sich  einen Fernsehabend gönnen würden.
Ken musste für einige Tage verreisen. Er hatte an einem Fachkongress ein Referat zu halten. Als er am Samstagabend so gegen neun Uhr heimkam entschied er sich ganz spontan und dies erst im fahrenden Lift eine Etage höher zu fahren und erst mal bei Sonja vorbeizuschauen. Voll war der Lift wie sonst fast nie und es dauerte ewig bis er zur „Sonja-Etage“ kam. Sonjas Wohnung lag am Ende des Korridors rechts neben dem Fenster das zur Feuerleiter führte. Einen Schlüssel hatte er nicht .Weder Sonja noch er selbst hatten je daran gedacht die Schlüssen auszutauschen. Mit leicht erotisch geladener Vorfreude drückte er lang-kurz-lang-lang auf die Klingel, so wie immer. Ein wildfremder älterer ungepflegter Mann in Unterhosen und Feinripphemd öffnete wütend die Tür und beklagte sich über das aufdringliche Geklingel. Ken war sehr verblüfft und erkannte die Wohnung nicht die hinter dem Alten sichtbar war. Er stammelte eine wage Entschuldigung und ging zurück zum Lift um zu kontrollieren ob er sich wohl im Stockwerk geirrt hatte. Nein es war schon die gewünschte und bekannte Etage!
Was nun fragte sich Ken, dessen erotische Erregung einem Gefühl von Panik und Verständnislosigkeit wich.
Fahrig steckte er seinen Schlüssel in sein Schloss an seiner ihm bekannten Tür. Alles war so wie er die Wohnung vor nun vier Tagen hinterlassen hatte.
Nichts im Briefschlitz ,nichts auf dem Beantworter neben dem Fixtelefon. Auch als er zum Briefkasten runtereilte fand er nur blöde Werbung und die Stromrechnung. An Sonjas Brief und Ablagekasten stand ein fremder Name auf einem leicht vergilbten Karton.
Ken lief zur noch geöffneten Pizzeria und fragte nach Sonja, niemand hatte sie gesehen, auch sei sie nie alleine dagewesen.
Sonja war weg als habe sie nie existiert.

Ob er je darüber hinwegkomme fragte  sich  Ken; es war nicht die grosse Liebe gewesen aber das unerklärte Verschwinden war doch ein happiges Stück und nicht einfach so wegzustecken.

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