Montag, 9. Mai 2016

Verlorene Illusionen

Ein guter, sehr guter Freund, nennen wir ihn Candide—gebildete Leser werden die Hommage an Voltaire goutieren—reiste kürzlich nach Äthiopien. Es war eine Kulturreise, die Besichtigung alter Kirchen und Klöster  waren der Grund der Reise. Nach seinen Erzählungen war der „touristisch-artistische Teil der Reise“ ein Volltreffer. Was die frühchristlichen Kulturgüter betrifft waren seine Erwartungen weit übertroffen worden.                                                                                                   Als Candide in Frankfurt in die Maschine von Air Ethiopia einstieg und seinen Platz in der Business-Klasse einnahm sah er dass nur vier Personen Business gebucht hatten. Ein, nach seinem Benehmen zu urteilen, Politiker, ein westlicher Geschäftsmann mit Anzug und Schlips und einem weiteren westlichen Fluggast. Sicherlich war Candide der einzige, der sein Ticket selbst bezahlt hatte. Nachdem er mit dem dritten Fluggast, einem Franzosen ins Gespräch gekommen war stellte er fest, dass dieser Passagier—ein Mitglied der Ärzte ohne Grenzen—auf Kosten der Spender und mit einer überheblichen Selbstverständigkeit, es sich  in dieser Luxus-Klasse gut gehen liess. Candide begann seine immer grosszügige Spendengewohnheit an Hilfsorganisationen für Bedürftige Menschen, Staaten und Tierschutz-Organisationen, die er sich, als Gutmensch, nun schon seit über dreissig Jahren  angewöhnt hatte in Frage zu stellen. Muss der Kerl, fragte Candide sich, mit m e i n e m  Spende-Geld Business fliegen. Dann überlegte sich  Candide, was wohl dieser Arzt monatlich für ein Einkommen habe, er der ja immer auf Mission—also auf Spesen—unterwegs sei ; und dass er, da er ja im Ausland arbeite keine Steuern zu zahlen habe…..ja dann platzte Candide der Kragen. Als Candide dann am Ende seiner Reise sich die letzten zwei Nächte ein Luxus-Hotel in Addis Abeba gönnte, sah er in der neben der Lobby liegenden Cafeteria seinen "Grenzenlosen" Arzt mit mehreren Pflegerinnen bei Kaffee und teurem Kuchen die nächsten humanitären Einsätze besprechen. All diese ach so hilfsbereiten Gutmenschen wohnten—auf Spender-Kosten in diesem Luxushotel zu etwa US $ 350. — pro Nacht. Somit war auch das Grenzenlose dieser Organisation—grenzenloses schamloses profitieren von der Gutgläubigkeit der dummen Spender—erklärt.                                                            Da entschloss Candide sich in Zukunft seine Spenden nicht mehr an solche Organisationen zu senden, sondern persönlich mindestens einmal pro Woche ein armes junges Mädchen in irgendeinem armen Land der grossen weiten Welt, mit  ein bis zweihundert US $ zu unterstützen, denn diese Direkt-Hilfe wird aufs liebste verdankt und ausser dem Spender und der Beschenkten profitiert kein Schmarotzer davon.

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