Mittwoch, 25. Mai 2016

Wochenende

Kai-Uwe und Hedwige waren schon lange ein Paar. Kai-Uwe war zwar verheiratet, unglücklich verheiratet, wie er immer wieder betonte, aber er war an seine, an  den Rollstuhl gefesselte Frau Senta, durch Schuld und finanzielle Abhängigkeit gefesselt. Kai-Uwe war schon als Jugendlicher ein Motoradnarr gewesen. Mit Hedwige fuhr er in jeder freien Minute meist in die Alpen um waghalsige Passfahrten zu unternehmen. Es waren seine wilden Jahre, dass dazu auch schon mal Drogen in Form von Haschisch und natürlich viel Bier kam lag wohl am Geist der Zeit. Für Kai-Uwe war der Sex mit Hedwige immer nur einfach Sex—guter, sehr guter zwar  sicher aber keine Liebe—gewesen. Sich zu fragen, wie Hedwige darüber dachte ist ihm nie eingefallen. Auf der Uni lernte er die Tochter des reichen Fabrikanten Braun, Senta, kennen. Berechnend umwarb er sie, wurde auch nach einiger Zeit dem gestrengen Vater vorgestellt und bei dieser Gelegenheit einer richtiggehenden Befragung unterzogen. Dass er Ökonomie studierte war der einzig positive Aspekt den Papa Braun an ihm fand; das Motoradfahren, die langen Haare, das Boheme-hafte seiner Kleidung—so Richtung ungepflegt Flower-Power—kam in diesem Etepetete-Haushalt gar nicht gut an. Kai-Uwe hatte aber sofort gemerkt, dass Senta ihm sehr ergeben war, wohl auch ein Wenig als Protest den Eltern gegenüber. Den Wunsch, oder besser das Verbot der Eltern, nicht Motorrad zu fahren schlug Senta in den Wind. Auf einer Passfahrt bei herbstlicher Witterung rutschte die Harley auf nassem Laub aus. Senta blieb querschnittgelähmt und Kai-Uwe wurde notgedrungen Schwiegersohn von Papa und Mama Braun. Jahre später, Kai-Uwe hatte längst, nach dem Tod vom Schwiegervater den Betrieb übernommen, fuhr der nun immer korrekt gekleidete Firmenchef, an jedem Wochenende mit seiner Harley weg. Wiedererkannt hätten ihn wohl seine Geschäftspartner nicht, wären sie ihm—dem inzwischen Glatzköpfigen Bierbauchigen—begegnet. Ja er hatte sich eine Perücke mit langem Zopf und grauen Haaren machen lassen, trug Lederkleidung und frass –mit der wiedergefundenen Hedwige auf den Sozius—viele hundert Kilometer an jedem Wochenende. In den Biker-Hotels die er nun frequentierte waren Kai-Uwe und Hedwige—die auch einen, allerdings echten fettigen ungepflegten grauen Zopf trug—bekannt wie bunte Hunde. Je naturbelassener es zu und her ging desto wohler fühlten sie sich. Zuhause hatten sie ja jeden erdenklichen Komfort, hier liessen sie sich so richtig gehen. Weder Hedwige noch Kai-Uwe haben je gemerkt, wie lächerlich sie und ihre Bande aussahen und wie ekelhaft ihre Präsenz für andere Hotelgäste war, es sei denn, diese Art Bürgerschreck zu spielen trug zu ihrem Wohlbefinden bei.

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