Unser Held, na ja eben nicht wirklich heldenhaft, also
Gustav—wie üblich in der Schweiz kurz Gusti genannt—also Gusti sass in diesem
übervollen diskret nach Urin riechenden Wartezimmer des Urologen. Frauen waren
keine da, noch nicht mal als Begleitpersonen, nur alte Männer. Halt ! zwei junge
waren auch da, die nervös, beschämt und gestresst aussahen. Und beim Beobachten
dieser beiden Nervenbündel erinnerte sich Gusti plötzlich an seine
Studenten-Zeit in Paris. Es war lange, sehr lange, her.
Ja in den späten Fünfzigerjahren war er für einige Semester
an die Sorbonne gekommen und da war er als „reicher“ Schweizerstudent sehr
umworben. In Frankreich galten damals, so kurz nach dem Krieg, Schweizer immer als wohlhabend wenn nicht gar
als reich, dass Gusti von seinem Vater nur recht knapp unterstützt wurde behielt
er für sich, zu schön war das Gefühl umschwärmt zu werden. Er führte ein sehr
lockeres Leben und so war es nicht erstaunlich, dass er sich mehrmals im
Wartezimmer der urologischen Poliklinik einfand. Aids gab es ja noch nicht aber
alle anderen sogenannten “Sexuell übertragbaren Seuchen“ wie Tripper Syphilis, Herpes
und wie sie alle heissen—als Studius der Geisteswissenschaften war ihm alles
Medizinische sehr fremd—waren damals sehr verbreitet.
Nun erinnerten ihn die zwei jungen Wartenden an seine
Gefühle damals. Die Behandlungen waren brutal gewesen, Permanganat Spülungen
und Silbernitrat-Stäbe von unerfahrenen Assistenzärzten in den Ureter gespritzt
oder gar geschoben zu bekommen war kein Vergnügen, denn die damals noch sehr
teuren Antibiotika wurden nur wenn unbedingt nötig, also bei Syphilis und
Tripper verabreicht; gegen Clamydien und die sogenannten Unspezifischen—weil nicht
genau gesuchten und bestimmten—Harnröhren-Infekte wurden auf genannte brutale
Art beseitigt. Aber doch und trotz der Folgen balzte er glücklich weiter in der
altehrwürdigen Sorbonne und wurde in etwa zum Dauerpatienten der Poliklinik. Trotz
allem beneidete Gusti diese beiden
jungen Wartenden, sie, so war Gusti überzeugt, würden geheilt werden, um dann
fröhlich der nächsten Ansteckung entgegen zu eilen. Er und all die anderen alten wartenden Männer
würden hier zwar behandelt aber nicht geheilt werden und die meisten davon kämen
nicht um eine Operation herum. Ja und dann, so befürchtete Gusti war der Freund
Eros oder Amor nur noch ein aus seinem Leben verschwundener Ex-Freund.
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