Montag, 12. Januar 2015

Die gefährliche Verlockung des Mammon

War es 1984 oder 1985, ach ja es war ja im Weihnachtsurlaub in Marokko, also vier und fünfundachtzig. Es war das erste Jahresende nach meiner Scheidung. Freunde hatten mich überredet dazu, ich solle doch nicht alleine zu Hause zu bleiben. Es war eine nette Bekannte mit ihrem Cousin und dessen Lebenspartner. In Europa war es damals noch schwierig für schwule Paare zusammen in einem Hotel   Ferien zu machen, aber in Marokko war dies problemlos. Die Beiden waren schon mehrmals in Marrakesch im Club Méd. gewesen, immer mit der Cousine im Schlepptau .Ob die Cousine den beiden einen Dienst erwies indem sie meist mit in den Urlaub kam oder ob es im Gegenteil die beiden waren welche die arme Cousine, die immer Pech mit ihren Männern hatte, diese Gefälligkeit anboten, weiss ich auch nach dreissig Jahren nicht. Die Cousine hiess Mireille und die beiden Jean Jacques und François. Es war sehr aufheiternd für mich, nach meiner so unerwartet erfolgten Scheidung, dieses recht, ja wie denn, skurrile, barocke überkandidelte Dreierverhältnis  mitzuerleben. Wir alle waren so Mitte vierzig, Mireille war nie verheiratet gewesen, auch nie in einer längeren Beziehung, wer es mit dem oder der anderen nicht aushielt sei dahingestellt. Mireille hatte, so wie man früher gesagt hätte so richtige „altjüngferliche—Allüren“ entwickelt; alles war immer kompliziert mit ihr. Jean Jacques und François waren schon seit langem ein Paar, wobei die Spielregeln denen sie folgten für „Laien“ schwer zu verstehen war. Trotz einer sogenannt offenen Beziehung war Eifersucht an der Tagesordnung, ja als Jean Jacques, der mein Kunde war mich eines Mittags zum Essen in sein Stammrestaurant mitnahm, in welchem er sich regelmässig mit François traf, reagierte François wie eine betrogene Geliebte, bis er merkte, dass ich für ihn keine Gefahr darstellte da ich stinknormal, war und immer noch bin!! Wir wurden gute Freunde. Alle drei kannten sowohl Marrakesch wie die Umgebung seit Jahren sehr gut, hatten auch viele Bekannte, dadurch habe ich viel Schönes und Interessantes erlebt und gesehen. Als die drei nach etwa acht oder neun Tagen zurück zur Arbeit mussten blieb ich noch zwei Wochen in Marrakesch, da ich noch meinen ganzen  Urlaub zu nehmen  hatte. Ich lernte viele Leute kennen, besonders ein Paar das durch seine fröhliche liebenswürdige Art herausstach; Phillipe und Sylvie. Ein ungleiches Paar, Phillipe war zwar nicht wesentlich jünger als Silvie, er war Ende dreissig, Silvie etwa zehn Jahre älter, da er aber viel jünger aussah –er hatte etwas grosser-Junge haftes an sich—  fielen sie sofort auf. Sie überredeten mich, der sonst so etwas, aus Scham, nie macht, zusammen ins Hammam zu gehen; das Marokkanische Dampfbad. Wir waren die einzigen Gäste im Bad und konnten ungeniert schwatzen. Phillipe war auch frisch geschieden, seine Frau, eine Juristin, hatte ihn verlassen und verweigerte ihm Besuche bei seinen  Sohn. Die Frau zu verlassen war eine Wohltat gewesen, den Sohn den er sehr liebte zu verlieren war hart. Aber kämpfen gegen eine sture konservativ Katholische Richterin war hoffnungslos. Phillipe hatte ein Studium der Philosophie und Literatur –speziell arabische Literatur—gemacht, und sprach klassisches Arabisch. Wie er dazu gekommen ist in einer Bank zu arbeiten—er verstand von Finanzen so viel wie ein Inuit von Kühlschränken—ist eine eigenartige Geschichte, die er mir im Laufe der nächsten Tage erzählte. Er hatte mit einem seiner Professoren in klassischem Arabisch eine freundschaftliche Beziehung aufgebaut und wurde von ihm eingeladen ihn, der inzwischen zurück in Riad war und an der dortigen Koranschule unterrichtete, zu besuchen. Dort lernte er den Direktor einer französisch-arabischen Bank kennen, der von ihm und seinen Arabischkenntnissen, oder besser von seiner Affinität zu allem arabischen, so beeindruckt war, dass er ihn an die Direktion in Paris empfahl. Und so war er, der nichts vom Bankgeschäft verstand, nach kurzer Zeit einer der Direktoren geworden. Seine Aufgabe war eher sozial, er musste Kunden auf sehr hohem Niveau betreuen und dazu brauchte er auch einen gut tönenden Direktorentitel und das schönste daran war, dass diese sehr angenehme Arbeit ihn vom der mühsamen Pflicht erlöste, schnodderigen blöden Jugendlichen in irgend einem Provinz Gymnasium Unterricht zu geben. Eigentlich mochte er Kinder sehr, mit den schon beinahe erwachsenen Kindern seiner neuen Ehefrau Silvie –ja sie hatten geheiratet—hatte er ein äusserst freundschaftliches, fast kumpelhaftes Verhältnis. Es waren sehr lebhafte Urlaubstage mit dem liebeswürdigen Paar und es entstand eine schöne Freundschaft daraus. Zu jener Zeit war ich häufig in Paris, einer Stadt die ich sehr liebe. Meist trafen wir uns, sei es bei ihnen zu Hause oder in irgendeinem netten Restaurant, auch ins Museum oder Konzert gingen wir oft zu dritt, oder wenn Sylvie in Ruhe kochen wollte, auch nur zu zweit. Nach mehreren Jahren wurde Phillipe Direktor der Londoner Filiale seiner Bank, zwar hatte er kaum etwas über Finanzen dazugelernt, dafür gab es ja Spezialisten, aber der Chef war er. Unter seiner Leitung florierte die Filiale ausserordentlich er zog alle“ grossen Fische“ aus der arabischen Welt, die in Europa investieren wollten an Land. Dies blieb von der Konkurrenz nicht unbemerkt, im Gegenteil .Die grösste Anglo-Arabische Privat-Bank verlor innert kurzer Zeit einige grosse Anleger an die kleinere französische Konkurrenz, dass ärgerte die Direktion sehr. Er wurde vom Chef der Konkurrenz—Bank zum Essen eingeladen, offiziell um einige gemeinsame Probleme zu diskutieren, in Wahrheit aber um Ihn Phillipe abzuwerben.                                                                                                                                                                       Das Angebot war unwiderstehlich, drei Mal mehr  als er jetzt hatte. Der utopische Traum, ein Londoner Stadthaus zu erwerben, rückte in erreichbare Nähe; er hatte ja schon einige Objekte auf seinen langen Sonntagsentdeckungsspaziergängen mit Sylvie  gesehen. Nach gespieltem langen Hin und Her liess er sich bezirzen, er unterschrieb einen Vertrag und kündete seine Chefstelle. Er wurde, wie dies ja in solch einer Situation üblich ist sofort freigestellt. Nach wenigen Monaten wurde ihm ohne Begründung gekündigt, einfach so .Die komfortable vertraglich ausgehandelte Abfindung wurde bezahlt und er wurde fristlos freigestellt. Er hatte schon eine Option auf sein Traumhaus genommen aber glücklicherweise den Kauf  noch nicht abgeschlossen. Dass er die Option verlor war schmerzlich aber doch zu verkraften. Aber als er erfahren musste, dass er nur abgeworben worden war um einen erfolgreichen Konkurrenten zu entfernen und in der City unmöglich zu machen,  ging im das schon recht nahe. Er verzieh sich erst viel später, dass er sich durch das viele Geld hatte blenden lassen.                                                                                                                                      Ich hatte einige Zeit nichts von ihm gehört, das heisst seit er nach London gezogen war doch nun meldete er sich wieder. Er war in meiner Nähe in Genf wo ihm ein Freund in einer kleineren Arabischen Bank eine Stelle vermittelt hatte. Nach kurzer Zeit bekam er einen festen Anstellungsvertrag und konnte die möblierte Wohnung verlassen. Sylvie kam nach Genf und sie mieteten eine Wohnung, alles schien gut zu werden. Nach etwa einem Jahr wo wir uns häufig sahen, hatte er plötzlich gesundheitliche Probleme, bizarre Probleme. Schnell war die Diagnose dank einer Computertomografie gestellt, Multiple Sklerose. Rückblickend hatte er schon zwei Mal ein neurologisches Problemchen gehabt, einige Tage trübes Sehen und komisch eingeschlafene Finger, hatte es aber, wie wohl die meisten Menschen nicht ernst genommen, es dauerte ja nur kurz und verschwand ohne bleibende Symptome. Zu seinem grossen Glück hatte der neue Arbeitsgeber eine extrem gute und grosse Versicherung abgeschlossen, so konnte er, was die finanzielle Lage betraf guter Dinge sein. Er entschied sich, nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Annecy, in seine Heimatstadt Clermont-Ferrand zu ziehen, so verloren wir uns aus den Augen und die Neujahrsgrüsse schliefen auch irgendwann ein. 

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