Da standen sie nun Katia und Klaus, mit ihrem Vater im
Rollstuhl und ihrer Mutter auf den Rollator gestützt, am Rande dieser, zurzeit
verlassenen, Baugrube. Fünf Generationen hatten in diesem, nun verschwundenen
Haus, das der Urahn gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts erbaut hatte,
gelebt. Nur schweren Herzens hatten sie sich dazu entschliessen können,
dem immer stärker werdenden Druck der
Bauunternehmer nachzugeben, die nur noch auf dieses Grundstück warteten um die
grosse Überbauung zu beginnen. Endlich hatten sie das Grundstück mit dem
Haus verkauft. Bis vor einigen Monaten
wohnten sie ja noch alle vier zusammen hier. Ja erst als die Pflege des Vaters
nicht mehr zuhause erbracht werden konnte hatten sie sich dazu durchgerungen
die Eltern in ein betreutes Wohnheim zu bringen. Klaus und Katia war es sehr
schwer gefallen nicht mehr zusammen zu wohnen. Eigentlich waren sie nie
getrennt gewesen, ausser damals als Klaus als Rekrut und dann als
Offiziers-Anwärter dem Vaterland diente. Mit den Jahren war die Beziehung
zwischen den Geschwistern immer symbiotischer geworden. Beide waren Künstler
und sehr sensibel. Katia malte und schrieb Kinderbücher Klaus war Musiker und
seit einiger Zeit Direktor der renommierten Musikschule der Stadt. Und nun, ja
nun, hatten sie sich entschieden selbstständig zu werden und dies mit etwa
fünfzig Jahren zum ersten Mal. Für alle beide war es sehr schwer einen eigenen
Haushalt einzurichten. Die Möbel mit denen sie ihr bisheriges Leben lang
vertraut waren hatten sie weggegeben um neu anzufangen, nichts sollte vom alten
bleiben nein alles musste neu sein, für beide. Jetzt nach knapp einem Jahr
hatten sie sich alle, die Eltern im neuen Wohnheim und die, nicht mehr ganz so
jungen Geschwister in ihren beiden
Wohnungen eingelebt. Nun nahmen sie vom Ort ihres bisherigen Lebens Abschied,
noch bevor das Grundstück durch den nun bald beginnenden Neubau sozusagen
entweiht wurde. Weder Katia noch Klaus konnten sich vorstellen je mit einem
anderen Menschen zusammen leben zu können, alle beide fragten sich insgeheim,
ob sie es wohl ertragen würden, auf Dauer, in derselben Stadt aber in
getrennten Wohnungen zu leben. Die Eltern auf ihre diskrete Art hatten ihre
Zweifel von Beginn an geäussert. Besuchen taten sie sich täglich, assen meist
mittags zusammen in ihrem Lieblingsitaliener und fragten sich insgeheim—jeder
für sich—wie lange es dauern werde bis sie wieder zusammenziehen würden?
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