Freitag, 4. März 2016

Das schwarze Schaf

Schon als Kind war er anders gewesen als seine neun Geschwister. Ja Tristan war sehr eigensinnig, doch als jüngster Spross dieser, dem Kleinadel angehörenden, alteingesessenen Familie, wurde ihm schon in sehr jungen Jahren fast alles durchgehen gelassen. Aufgewachsen ist er in dem schlossähnlichen Familiensitz am See, eigentlich gehörte das Anwesen noch zur Stadt, war aber in einer eleganten und steuerlich privilegierten  Gemeinde angesiedelt. Die Schulen schaffte er— dank vieler Nachhilfestunden—mit Ach und Krach, es lag nicht etwa an mangelnder Intelligenz sondern an grosser Gleichgültigkeit und  unermesslicher Faulheit. Aber faul war er nur, wenn ihm etwas nicht zusagte, bei Spiel und Sport—wenn Spiel und Sport seinen Vorstellungen entsprach—war er sogar der fleissigsten einer. Das Studium an der Uni war wirklich nicht sein Ding, er wollte in irgendeinem Geschäft, möglichst gleich als Chef aktiv werden. Dank seines doch sehr prestigereichen Namens fand er auch schon bald einen Wirkungskreis in einer Handelsfirma. Aber der wohlklingende Name wog seine dunkle Seite bei weitem nicht auf. Wegen  einigen Schummeleien, verklagt war er nicht geworden, verliess er die Firma und verschwand für mehrere Jahre irgendwo in Lateinamerika. Als Tristan—er hasste seinen Namen, sowie er Wagner nicht ausstehen konnte— mit Ende dreissig, mittellos zurück zu seinen Geschwistern kam, wurde ein Familienrat einberufen. Alle Geschwister waren sehr erfolgreich, sie waren Wissenschaftler, Geschäftsleute, Künstler, Kleriker aber auch Beamte in höherem Staatsdienst. Entschieden wurde, dass Tristan im leerstehenden Familiensitz eine Wohnung beziehen würde und auch in gewisser Weise den  Palast verwalten solle. Dafür wurde er auch von den Geschwistern grosszügig unterstützt. Alle wollten, dass im Familien-Stammhaus jederzeit Gäste untergebracht und ab und zu Feste ausgerichtet werden konnten. Dazu war auch das notwendige Personal, auf Abruf, vorhanden. Das Leben als Schlossherr gefiel ihm sehr gut und er war, für die Gäste seiner Familie ein charmanter Gastgeber und auch ein perfekter Verwalter fürs Schloss. Tristan liebte die Liebe, ja er flatterte von Abenteuern  zu Affären, oft musste er sich vor wutentbrannten gehörnten Ehemännern verstecken, aber es lief meist glimpflich ab. Trotz der grosszügigen Apanagen war Tristan stets knapp bei Kasse. Durch seine Beziehungen in den besseren Kreisen kannte er viele Damen der Gesellschaft, die sich in ihrem Luxus nach Liebe und Nähe sehnten und auch dazu bereit waren, es sich etwas kosten zu lassen. Es ist ja sehr erstaunlich wie viele Frauen ihren etwas jüngeren Liebhaber bemuttern, sie verwöhnen ihn mit den schönsten Anzügen, schnellsten Autos und fabelhaften Urlaubsreisen  in Luxusorte. Geld, nein Bargeld, hat er nie angenommen, das fand er einfach zu vulgär! Jahre lang lebte Tristan das Leben eines Gigolos oder besser Playboys, er wurde ohne es zu merken alt. Die Damen der Gesellschaft—seine bisherige Einnahmequellen—fanden mühelos jüngere potentere interessantere Liebhaber. Tristan gab aber nicht etwa auf, nein nun suchte er jüngere Gespielinnen; ganz junge waren ihm zu blöd und vor allem allzu  anstrengend, war er doch inzwischen schon Anfang sechzig. Aber so dreissig plus….das war was er sich anlachte und brauchte. Diese jüngeren Bekanntschaften die er mit nach Hause schleppte um sie dann durch das tolle Anwesen und den eleganten Butler—einem Komplizen—zu blenden und die er dann nach dem Tête à Tête Dinner vernaschte, hatten es ihm angetan. Meist dauerte solch eine Affäre mehrere Monate. Da seine Mittel immer bescheidener wurden—die Monatliche Zuwendung der Familie schrumpfte durch den Tod einiger Geschwister—fand er eine unfehlbare Methode diese jungen Damen bei der Stange zu halten. Aus seinen turbulenten Jugendtagen waren ihm mehrere Freunde geblieben, darunter war ein angesehener Notar und der war die Schlüsselfigur seiner cleveren Methode. Schon wenige Tage nach einer befriedigenden Eroberung, nahm er die Geliebte mit zum Notar und setzte ein Testament auf in dem er der Gespielin –seiner grossen Liebe— seinen ganzen  Nachlass verschrieb. Das sein Nachlass, sollte er in diesem Moment sterben, nur aus Schulden und Verpflichtungen bestand erwähnten weder Tristan noch der ach so seriöse Notar. Daran dass  ein Testament  jederzeit geändert oder annulliert werden kann, dachten  diese jungen Damen nicht und sollten sie aber  je daran denken und nachfragen, antwortete der beleidigte Tristan empört: du traust mir so eine Gemeinheit zu? Somit hatte Tristan bis ins hohe Alter stets junge, naive, erbschleicherische  Betthäschen zur Verfügung. 

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