oder wie man Jean-Jacques
Rousseau auch falsch verstehen kann
Wie angewurzelt
blieb Jakob stehen als er in den Stall trat, das war doch nicht möglich, nein
sowas gibt’s ja gar nicht. Seine tragende Schäfer-Hündin hing an einem
grossen Fleischerhaken der ihr durch den Unterkiefer bis ins Gehirn gerammt
worden war, Zwar lebt sie noch aber zu retten war sie nicht mehr. Dann
erschütterte Jakobs Schrei den ganzen Hof am Waldrand. Alle liefen zusammen und der jüngste Knecht
nahm die Leila vorsichtig vom riesig grossen Haken. Leila starb kurz darauf in
Jakobs Armen.
Die Frage, wer
macht sowas erübrigte sich, fanden alle Bewohner im Hof; das waren die
Neuzugezogenen. Seit diese Leute aus der Stadt es sich in den Kopf gesetzt
hatten aufs Land zu ziehen versuchten sie das Land ihren städtischen
Gepflogenheiten anzupassen. Dazu gehörte R u h e ! keine Kuhglocken, kein
Gebell, denn sobald sich jemand dem
benachbarten Hof näherte schlug der Hund an, selbst das blöken der paar Schafe
störte die so ersehnte Land-Ruhe. Immer wieder war es zu unliebsamen
Zwischenfällen gekommen zwischen der Landbevölkerung und diesen „grünen zurück
zur Natur, aber bitteschön sehr ruhig-idyllisch-sauber" Unmenschen. Ein
Scharmützel folgte dem nächsten. Gegen Kuhglocken wurde geklagt, Zäune wurden aufgeschnitten,
der Gockel wurde „vom Fuchs“ geholt, Fersen und Schafe verschwanden von den
Wiesen und irrten im nahen Wald umher, nur die Kühe kamen zum Melken in den
Stall zurück.
Die Häuser der
Neuzugezogenen wurden dann schon mal mit Gülle bespritzt, die gepflanzten
Blumen und Beeren mit Schweinemist bedeckt und im Pool schwamm Stalldung. Und
nun dieser Mord an Leila! dies ging entschieden zu weit, fanden alle
alteingesessenen Dorfbewohner. Eins hatten die Zuzügler im Nu geschafft, die
seit Generationen dauernden Fehden zwischen den Bauer-Familien wurden beigelegt—man
hatte ja nun einen gemeinsamen Feind. Ab sofort ist Krieg, sagten sich die
Alteingesessenen, diese Neuen müssen weg!
Garageneinfahrten
wurden zugemauert, der Dorf Bach floss eines schönen Tages durch die Siedlung
der Neuzugezogenen und füllte die Keller.
Nachdem der
Konflikt zwischen Dorfkindern und den Kids der Neuen bedrohliche Formen annahm
wurden einige Kids der Zuzügler in Privatschulen der Stadt gebracht. Aber schon
nach wenigen Monaten sah man Schilder im Garten der hübschen neuen Villen „Zu verkaufen“.
Weil die
Lokalpresse über die Probleme im Dorf genüsslich berichtet hatte fanden sich
keine Käufer und bald verlotterten einige der leerstehenden Villen.
Das „ Zurück
zur Natur“ scheint wohl in der Literatur einfacher als in der Realität zu sein.
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