Mühsam
schleppte sich Sandra den Kirchberg hinauf, es ist ja schön, dass die Kirche
hoch über dem Dorfe steht, dachte sie, aber es ist doch sehr anstrengend
hinaufzusteige. Sicher gibt es Transporte für die alten Leute, aber nur für
diejenigen die regelmässig zum Gottesdienst gehen und deshalb auch abgeholt
werden. Sandra glaubte weder an Gott noch an den Teufel, zur Kirche ging sie
nur zu Beerdigungen und dann an Weihnachten, so irgendwie aus Tradition, denn
ihr Vater war ja in dieser Kirche Pastor gewesen. Beerdigungen waren seit
einiger Zeit viel häufiger als Weihnachten und jetzt lag auch Gregor, ihr
Lebenspartner—geheiratet hatten sie nie—im Krankenhaus. Gregor war am Tag vor
Heilig Abend zum Arzt gegangen wegen seines starken Hustens. Wie erstaunt war
er, dass Doktor Zweifels Schild nicht mehr an der alten Eichentür hing, sondern
das Schild eines Doktor Arnold. Die Praxishilfe war noch die alte Frau Herbert,
die ihm erklärte, dass Doktor Zweifel nun seine Praxis dem jungen Doktor Arnold
übergeben habe. Es war schneller geschehen als erwartet, weil Doktor Zweifel
dringend eine Operation über sich ergehen lassen musste, darum war keine Zeit
geblieben die Patienten zu informieren. Doktor Arnold bestand darauf, dass
Gregor sofort, also heute noch zum Röntgen ins Spital ginge. Und da haben sie Gregor
sofort dabehalten. Wäre Doktor Zweifel noch dagewesen, hätte er ihm Hustensaft
und Bettruhe verordnet und dann nach Neujahr zum Röntgen geschickt, aber eben
das war die alte Methode, heutzutage geht alles Ruck Zuck, zum Wohl des
Patienten? Was wird nun mit Gregor?; im Spital haben sie gesagt, dass es wohl
zu spät für eine Operation sei. Wird er sterben fragte sich Sandra? Und wie
soll ich ohne ihn weiterleben? Plötzlich, mitten in einem der Gebete kam ihr
die Erleuchtung, fluchtartig verliess sie die Kirche und ging so schnell es ihre alte Beine und der
frische Schnee erlaubten den Hügel hinab und eilte zum Spital um ihren Gregor den Fängen der Medizin zu entreissen. Sie musste laut und energisch werden um Gregor
endlich nach Hause zu bekommen, wo sie gemeinsam zu sehr später Stunde ein
einfaches Mitternachtsessen mit einer Flasche vom besten Wein der noch im
Keller lagerte, zu geniessen. Vergessen war Arzt Krankheit Himmel und Hölle, nur
das unbeschreiblich schöne Gefühl, welches ein guter Rotwein bewirkt blieb, bis
beide Arm in Arm auf dem Sofa einschliefen. Ins Bett zu gehen wäre wohl viel zu
beschwerlich gewesen. Vor dem Einschlafen murmelte Gregor ein kaum hörbares
Frohe Weihnachten dann fing er leise an zu schnarchen.
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