José war in
den Vororten von Manila zur Welt gekommen. Eltern kannte er nicht, nur eine
grosse Schwester. Seine ersten Erinnerungen beschränkten sich auf die Arbeit
auf der riesigen Müllhalde. Weil er für sein Alter noch sehr klein aber alles andere als dumm war schickten ihn
die grösseren Kinder—die Anführer—in die Gruben im Müll um zu sehen ob sich das
Graben an dieser Stelle lohnen könnte. Wie alt er war wusste er nicht aber
irgendwas zwischen fünf und sieben. Er war ein sehr schönes Kind, das fiel auch
einigen Touristen, die eine Erlebnistour zu den pittoresken Orten der Stadt, wie
Märkten, Rotlicht-Vierteln, Hahnenkampfarenen, Boxkampf-Ringen und eben Müllhalden gebucht hatten, sofort
auf. Zwei Männer, die zusammen diese Erlebnisreise machten, verknipsten mehrere
Filme—es war vor dem digitalen Zeitalter— um den süssen kleinen Jungen zu
verewigen.
Am nächsten
Morgen waren die zwei Freunde mit einem Taxi zur Müllhalde gefahren. José glaubte
ihren Versprechen von einem besseren Leben nur halb, aber schlechter als hier, wo er von den grossen Jungen wie ein
Sklave gehalten und ausgebeutet wurde, konnte es sicher nicht sein.
Es war anders
schlimm. Zwar war keine Gewalt mit im
Spiel, aber ein Spiel war es sicher nicht. Immerhin war er nun in Europa. Madrid
gefiel ihm gut, man sprach ja spanisch genauso wie in Manila und das was die
beiden neuen „Papis“ von ihm wollten war zwar eklig tat aber nicht weh……
Einige Jahre
später, die beiden „Papis“ hatten sich getrennt landete José wieder auf der
Strasse. Wie man an Geld kommt wusste er, aber stehlen wollte er nicht und so
blieb ihm nur der—zwar eklige aber— sehr einträgliche Weg übrig. Lesen Schreiben
und Rechnen hatte er bei den „Papis“ recht gut gelernt-zur Schule konnte er als
„ Sans-Papiers“ natürlich nicht geschickt werden. Zwar hatten die „Papis“
anfangs versucht ihn zu adoptieren, es hatte aber nicht geklappt. Wie José von
der Polizei aufgegriffen und der Jugendbehörde anvertraut wurde, und wie er
dann doch noch zu Papieren kam ist unwichtig für diese Geschichte.
Nun arbeitete
José schon seit einigen Jahren am Flughafen in Madrid. Er lud und entlud
Flugzeuge, legte das Gepäck auf Förderbänder und hoffte irgendwann zur Putz-Equipe—die
die Flugzeuge aufräumen— wechseln zu können.
Endlich wurde
sein Wunsch erfüllt, er kam zum ersten Mal in ein Grossraumflugzeug zum Putzen.
Und da hatte er blitzartig ein Gefühl von „Déjà-vu“;
José sah sich
im First-class Abteil mit dem Kniehohen Müll wieder in seine heimatliche
Müllhalde zurückversetzt.
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