Ja geplant war alles, so konnte er unbeschwert seine
Kündigung einreichen um in den Frühruhestand zu gehen. Dass er diese Entscheidung
getroffen hat lag daran, dass seine um siebzehn Jahre ältere Frau so plötzlich
gestorben war. Ja Patrizia, die schon seit langen Jahren in Rente war und mit
der zusammen er ganz Europa mit ihrem alten Camping-VW abgeklappert hatte, war
überraschend erkrankt und wenige Monate später verstorben. Von Krankheiten
verstand er nichts, aber es muss wohl etwas Bösartiges an der
Bauchspeicheldrüse gewesen sein. Oskar war eigentlich nie krank gewesen, kaum
mal eine Erkältung. Nun war er
Jungrentner und ein junger Witwer von sechsundfünfzig Jahren. Sein Leben
lang war er sehr viel unterwegs gewesen, als Techniker seiner Firma musste er
immer, wenn die Kunden mit der Wartung und Instandstellung der Anlagen nicht zu
Recht kamen, ins nächste Flugzeug springen und die Sache in Ordnung bringen.
Durch die viele Überzeit die dieser Job mit sich brachte –Wochenende und
Achtzehnstundentage wurden grosszügig kompensiert—hatte Oskar extrem viele
Ferien. Seit ihrer
Pensionierung organisierte Patrizia all die Reisen mit dem Camper, mal in den
Norden, dann auch rund ums Mittelmeer, oder auch nur in die Alpen. Seit dem
Zusammenbruch der kommunistischen Macht auch viel im Osten Europas. Patrizia hat, schon todkrank, Oskar
das Versprechen abgerungen, nach ihren Tod in Rente zu gehen und alle die
vielen gemeinsamen Reisen zu ihrem Andenken noch einmal zu unternehmen. Kinder
waren keine da, sodass Oskar nichts zurückhielt. Er kaufte sich ein neues, nach
seinen Plänen gebautes Camping-Car. Nun war er dabei, die vielen Reisetagebücher,
die Patrizia so gewissenhaft aufgeschrieben und später mit den Fotos
vervollständigt hatte,zu
studieren. Ja er wollte alle Reisen chronologisch nachfahren, wie er es der
Sterbenden so hoch und heilig versprochen hatte. Beim Lesen dieser Tagebücher
kamen ihm—der seit seiner Kindheit nie mehr geweint hatte—Tränen, er sah nicht
mehr klar alles verschwamm. Oskar dachte, er müsse nun auch eine Lesebrille benutzen.
In der nahegelegenen Apotheke probierte er diese Lesehilfen, aber die komisch
blinden Flecke blieben. Jetzt entschied er sich bei einem Augenarzt
vorzusprechen. Dies war sein erster Arztbesuch seit Jahrzehnten, er war ja nie
krank gewesen, abgesehen von den
Impfungen die er für seine vielen Reisen in aller Herren Länder brauchte
und die er in der Poliklinik machen liess. Oskar suchte im Telefonbuch unter
Ärzte die Rubrik Augenärzte und ärgerte sich seiner Leseschwierigkeit wegen,
dann schrieb er sich mühsam mit grossen
Buchstaben die Adresse auf. Die erste Frage der schnippischen Dame am Empfang war,
„haben sie einen Termin“ auf seine Verneinung hin hiess es beinahe bösartig,
wir nehmen keine neuen Patienten an, gehen sie in die Klinik. Der junge
Assistenzarzt in der Augenpoliklinik untersuchte ihn nett schwatzend wurde dann
plötzlich still, stand auf und kam nach kurzer Zeit mit einem älteren Herrn in
weissem Kittel den er als Professor X Chefarzt der Augenklinik vorstellte.
Oskar wurde es ganz komisch als nun der Herr Professor dieselbe Untersuchung,
die der Assistent schon gemacht hatte, wiederholte. Sie haben eine
fortgeschrittene Netzhautablösung und müssen sofort ich betone sofort!
behandelt werden damit wir noch ein wenig Sehkraft retten können. Wenige Wochen
später war in der Zeitschrift „Auto Motor und Sport“ ein Inserat zu lesen :
Neues nie gebrauchtes
Camping-Mobil, auf Mass für eine Person eingerichtet, mit Motorroller und Schlauchboot mit
Aussenbordmotor umständehalber, wegen
geplatztem Traum, zu verkaufen.
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