Er, nennen wir ihn José, war mit etwa einem Jahr mit seiner verwitweten Mutter nach
Buenos-Aires gekommen. Geboren war er in Wien. Dort hatten seine Eltern sich ja
auch kennen und lieben gelernt. Ja geliebt hatten sie sich auf eine
unvergleichliche fast schon schmerzhafte Art, so erzählte es seine Mutter
Margot ihrem José nun schon seit seiner frühsten Kindheit. Auch sagte sie ihm
immer, dass sein Vater Lionel kurz nach seiner Geburt an einem falsch
behandelten geplatzten Blinddarm auf einer Geschäftsreise im fernen Galizien in
der Stadt Lemberg verstorben war. Du, José, bist Halbwaise, aber
glücklicherweise hatte dein Vater mir schon bei der Hochzeit ein recht
ansehnliches Vermögen überschrieben. Margot, seine Mutter, hatte schon nach
wenigen Jahren alle Kontakte in der alten Heimat abgebrochen, ausser zu einer
ihrer Schwestern, Bertha, die sie schon bald nach Argentinien nachkommen liess.
Warum sie dies getan hatte wurde José schon als Kind klar, Margot –seine
geliebte Mamma—brauchte ausser ihm noch jemanden dem sie ihren unbeugsamen
Willen aufzwingen konnte und dazu war die leicht hinkende, arme, schüchterne
Bertha wie geschaffen. Margot führte mit ihrer Schwester und dem Sohn einen
recht grossen Haushalt. In den ersten Jahren hatte sie immer wieder
freundschaftliche Männerbekanntschaften; die Männer verschwanden meist nach
nicht allzu langer Zeit und dies fast immer nach einem, unüblich heftigen,
Streit. Ja Margot war extrem zänkerisch und rechthaberisch. Mehrere Wirtschaftskrisen
hatten das stattliche Vermögen Margots und das eigentlich „Mündelsichere
Kapital „ Josés schmelzen lassen .Margot, die nun ihre Schwester-Dienstmagd
nicht mehr als gratis Hilfe sondern als zu stopfendes Maul ansah ,sann auf
Abhilfe. Die glänzende Idee war bald gefunden, José war schliesslich
Österreicher von Geburt, also konnte man ja ein Stipendium für sein Studium
beantragen, denn er war, im Gegensatz zu Mutter und Tante nicht Argentinier geworden, warum wusste José
–eigentlich Josef—nicht. Dem Antrag wurde
stattgegeben und so flog José nun nach Wien. Wie gross war seine Überraschung, als
er am Flughafen Wien-Schwechat von einer Dame mittleren Alters ,die eine grosse
Karte mit seinem Namen in der Hand
hielt, abgeholt wurde. Diese Dame zerstörte ohne es zu wollen das Lügenpaket
das Margot ihrem Sohn seit nunmehr achtzehn Jahren aufgetischt hatte. Sie, die
Dame am Flughafen, begleitete José in ein schönes altehrwürdiges Hotel den „
König von Ungarn“ und dort in dem wunderschönen Innenhof bei einem erfrischenden
Getränk erzählte ihm diese Dame, die die Sekretärin einer grossen Firma war,
dass sein Vater—der in Lenbach verstorbene—sie beauftragt habe sich um ihn den
Sohn zu kümmern. Sehen, nein sehen wollte sein Vater ihn nicht, zu schlimm
waren die Erinnerungen an und zu teuer war die Scheidung von seiner Mutter
Margot gewesen um nun diesen Sohn kennenzulernen. Die nette Dame, die schon
seit vielen Jahren die Vertraute des Vaters Lionel war, erzählte dem staunenden
José, wie seine Mutter den Studenten Lionel umgarnt hatte, wie sie zuerst
liebenswürdig und charmant, und geradezu devot gewesen war bis sie dann ein Kind
erwartete. Lionel heiratete sie trotz heftigen Widerstands der Familie und aus
der liebenswürdigen Margot wurde in wenigen Wochen eine unerträgliche
Furie. Die Scheidung, kurz nach Josefs Geburt –den sein Vater n i e sehen
wollte und auch nie gesehen hatte—war für Lionel extrem schwierig und ruinös;
für Margot hingegen bedeutete diese Scheidung das ganz grosse Los. Lionel
willigte nur dazu ein, wenn Margot und der kleine Josef sofort und definitiv
aus Wien, Europa und vor allem aus Lionels Leben verschwinden würden.
Nun hatte
Margot—weil das Geld weg war—auch dieses Versprechen dadurch gebrochen, dass
sie ihren Sohn als Lockvogel nach Wien geschickt hatte. Aber Lionel bleibe
stahlhart, solle sie, die Vertraute des Vaters, ihm bestellen. Er habe ja vom
Staat ein Stipendium erbeten aber der Staat—der den steinreichen Vater
natürlich ausfindig gemacht hatte—bat diesen nun zur Kasse. Vom Vater gebe es,
ausser den auf das strikte Minimum berechnete Studiums-Kosten keinen Schilling,
punkt Schluss und auf nimmer wiedersehen. Monatlich werde auf ein Konto ein
minimaler Betrag zum Lebensunterhalt überwiesen, wie er mit dem wenigen Geld zurechtkommen
würde sei sein Problem und nicht das von seinem erpressten Vater .Das Zimmer
ist für eine Woche im Voraus bezahlt sagte die Vertraute des Vaters und empfahl
sich. Zurück blieb ein José, dem alle Träume und Illusionen so plötzlich
abhandengekommen waren..
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