Er
hiess Gottfried. Er war ein strenger griesgrämiger, pedantischer protestantischer
Pfarrer schon beinahe wie einer Pfarrers-Karikatur. Auch war er ein eher alter
Vater für seine drei Kinder. Gottfried war gross gewachsen, hager und hatte
auffallend grosse—durch früh begonnene Arthrose verformte— Hände, die während
des Gottesdienstes dramatisch warnend gen Himmel gestreckt, bei sensiblen
Gläubigen Schreck und Angst auslösen konnten. Die äusserst bildhaften
Schilderungen der Hölle und des Fegefeuers tauchten in vielen Albträumen in der
Gemeinde bei sensiblen „Schäfchen“ auf. Sein Sohn ist schon vor Jahren, am Tage
seiner damals erst mit zwanzig erreichten Volljährigkeit, auf Nimmerwiedersehen
nach Übersee verschwunden. Die Ironie des Schicksals wollte, dass sich seine
ältere Tochter,mit eben mal sechzehn Jahren, in einen ihrer Gymnasiallehrer verliebte, einen streng
Katholischen—dem Opus Dei angehörenden— Latein und romanische Sprachen
unterrichtenden Hidalgo. Ohne den Segen des Vaters heiratete sie und verschwand
nach Cadiz, wo sie nur einmal von der duldsamen Mutter besucht worden war. Der Grund, dass die beiden älteren Kinder das
Pfarrhaus so fluchtartig verlassen hatten ist sicherlich in der kalten
spartanischen Erziehung zu suchen. Nach des Vaters Ansicht war ja alles was
auch nur einen Hauch von Befriedigung oder gar Vergnügen bringen konnte des
Teufels Werk und musste unbedingt bekämpft werden. Bei Tisch ass man nie
richtig warm, denn die ewiglangen Gebete und Segenswünsche liessen den Speisen
Zeit abzukühlen; auch verliess man den Tisch immer mit einem Hungergefühl, satt
war nur die—leider unförmig dicke—Pfarrersfrau, denn sie ass den ganzen lieben
langen Tag über in ihrer Küche, behauptete aber wie viele Dicke „es sind die
Drüsen“. Nun kann man sich das seelische und auch physische Leiden der jüngsten
Tochter vorstellen.
Maria-Magdalena, so hatte sie der Vater—wohl
als vorbezogene Strafe für ihre Sünden
„in spe“—selbst getauft, wuchs nun seit ihrem neunten Lebensjahr, in welchem
ihre heissgeliebte Schwester verständlicherweise die Heirats-Flucht ergriffen
hatte, als überbehütetes überkontrolliertes Einzelkind auf. Im Prinzip war
alles was nicht explizit vom gestrengen
Vater—nicht nur erlaubt sondern befohlen war—verboten. Schulreise mit Übernachtung—verboten,
Sportunterricht—verboten, Theaterspielen, ausser
Weihnachtskrippenspiel—verboten. Gottfried fuhr monatlich ein bis zwei Mal für zwei bis drei Tage in die Hauptstadt weil
er im Kirchenrat zu tun hatte, bei dieser Gelegenheit übernachtete er meist im
kircheneigenen Hospiz. Maria-Magdalena fing nun an, sie war inzwischen vierzehn
Jahre alt, an diesen Tagen wo sie der Kontrolle des Vaters—die Mutter merkte
nichts vor Gleichgültigkeit und wohl auch wegen des grossen
Alkoholkonsums—selbst in die Hauptstadt zu fahren. Schnell geriet sie in hoch-
Interessante aber sogenannt schlechte Gesellschaft. Bei einer neugewonnenen
Freundin konnte sie wohnen und vor allem die schönen geilen Kleider, die zu
Hause verpönt gewesen wären ,horten; ja sie hatte sogar einen Schlüssel von
dieser, einer Windmühle gleichenden, Wohngemeinschaft erhalten. Durch ihre
neuen Freundschaften hat sie schon bald gelernt, wie man als hübsches junges
Ding schnell zu recht viel Geld kommen kann. Sie hatte da ein Haus
kennengelernt, wo man nicht zimperlich war, dreissig Prozent ging ans, sprechen
wir‘s aus, Puff, der Rest wurde in
Kleider und sonstige Bedürfnisse investiert. In diesem „Haus“ war die
Spielregel, dass die noch nicht volljährigen jungen Damen maskiert arbeiteten, damit
sie von keinem Kunden auf Anhieb erkannt werden
und eine möglichst intakte Anonymität bewahren konnten. Maria Magdalena
ging nur immer dann arbeiten, wenn Ebbe in der Kasse war oder wenn sie
irgendetwas unbedingt haben wollte. Ihre Masche war es, den Kunden, den die
Puffmutter ihr schickte, nackt und sich schlafend stellend zu empfangen. An
einem Abend hörte sie wie die Tür aufgemacht und dann mit dem Schlüssel doppelt abgesperrt wurde. Sie tat als schliefe
sie tief und hörte wie sich der Kerl
auszog und dann an sie anschmiegte und, ohne auch nur ein Wort der Begrüssung
von sich zu geben, von hinten her in sie eindrang. Nach dem kurzen schmerz und freudlosen Akt, als der Mann sich erhob,
drehte sie sich um weil sie ja nun das Geld einkassieren musste. Wie sehr sie
erschrak, ihren Vater zu erkennen der eben mit ihr Sex gehabt hatte und der sie
wegen der Maske ja nicht erkennen konnte kann man sich wirklich kaum
vorstellen.
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