In den
Achtzigerjahren war ich sehr oft in Paris, meistens fuhr ich am Donnerstagabend
hin und am Montag früh zurück; immer mit dem TGV ab und nach Lausanne wo ich damals wohnte. Meist war
ich –da ich damals sehr wenig Schlaf brauchte—schon sehr früh unterwegs. Gerne fuhr
ich mit dem Bus rund um die Stadt. Es gab und gibt wohl immer noch die Linien
PC Petite-Ceinture, die umfahren Paris
von Porte(Tür) zu Porte. Es war immer ein Genuss den Diskussionen der
arbeitenden Bevölkerung zu lauschen, irgendwo auszusteigen und einen Café zu
trinken um dann mit dem nächsten Bus weiter, oder mit der Metro anderswohin, zu
fahren. Selbst zu so früher Stunde, etwa ½ sechs waren schon Bettler am Werk, weniger
im Bus mehr in der Metro. So früh morgens waren kaum Touristen unterwegs, nur
Einheimische—das heisst Menschen die zwar nicht unbedingt aus Paris stammen
aber hier heimisch geworden sind—und diesen gegenüber waren die Bettler viel
aggressiver und direkter als dann tagsüber bei den Touristen.
Irgendwie
berührte mich die zur Schau gestellte Armut, manchmal gab ich etwas Kleingeld
oder eine Zigarette—damals rauchte ich noch—meist blieb ich aber, wie die
meisten Fahrgäste frei nach Brecht: „Hart und Herzlos“. Zu dieser Zeit dachte
ich viel über mich, das Leben und die Gesellschaft im Allgemeinen nach. Bettelten
diese Leute wirklich aus Notwendigkeit, also Armut, oder eher aus Faulheit?? Ich
fragte mich einfach so, in Petto, ohne anzuklagen. Dann fasste ich einen Entschluss, ich brauchte eine Antwort auf die vielen
Fragen. Beruflich war ich an genaue Statistiken gewöhnt, jetzt beschloss ich
einen Test zu machen.
Ich ging zur
Post und wechselte hundert Francs in ebenso viele Münzen und fuhr ab ½ sechs
kreuz und quer durch Paris, jeder der mich anbettelte bekam einen Hundertstel
meines Kapitals. Circa um ½ acht war mein Kapital ausgegeben, ich war um
hundert Francs ärmer und hundert Bettler um je einen Franc reicher. Und ich war
um eine Erfahrung reicher. Meine Lebensqualität wurde nicht beeinflusst, da es
sich nur um eine Einzelaktion handelte, ob die Bettelnden besser lebten dank
meines Obolus sei dahingestellt. Eine Überzeugung bleibt mir, weder ich noch
all die normal arbeitenden würden, auch wenn wir noch viel mehr gäben, die
Armut zum Verschwinden bringen und auch das schlechte Gefühl, hart zu bleiben
gegenüber der Misere der Menschen, ändert nichts daran.
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