Nicht nur auf Godot!
Das ganze Leben lang wird gewartet. Früher war dem
nicht so, denn in einfachen Gesellschaftssystemen wie bei den Menschen in der
Landwirtschaft ging man gemeinsam aufs
Feld und kam zusammen zurück, Termine gab es nicht. Heute ist das ganz anders,
man reiht sich fast überall in mehr oder weniger lange Warteschlangen ein. Im Supermarkt
zum Beispiel, erst an der Fleischtheke, dann an dem Fischstand, auch für Käse
stellt man sich an und wartet und dann natürlich an der Kasse. Bei jedem Gang auf
Ämter ist es dasselbe anstehen und warten. Ruft man Ämter oder Dienstleister an
kommt man in eine Warteschlange die oft Zeit und vor allem Nerven kostet. Man
wartet am Bahnhof auf, wahlweise
Familie, Verwandte, Freunde, Freundinnen, Geliebte oder Liebhaber,
Verlobte also Braut oder Bräutigam. Das
Warten ist sehr unterschiedlich ob man auf dem Bahnsteig steht, also einen
Ankommenden erwartet oder in der Bahn beziehungsweise im Flugzeug sitzt und auf
die Ankunft oder Landung wartet. Kommt
die erwartete Person auch? oder holt man mich sicher ab und wenn nicht was
mache ich dann? Hat der Zug oder das Flugzeug Verspätung fängt man oft an sich düstere
Gedanken zu machen……..
Durch meinen Beruf im Aussendienst habe ich ja beinahe
ein Leben lang das Warte sozusagen professionalisiert; habe täglich einige Zeit—oft
mehrere Stunden pro Tag— in Wartezimmern oder Nebenräumen zugebracht bis ich
dann zum Kunden gebeten wurde.
Die aufliegende Literatur—meist zerlesene Illustrierte—langweilte mich meist; allerdings gab
es einige Kunden, auf deren Wartezimmer-Literatur ich mich freute, allerdings waren
dies meist Kunden wo das Warten dank guter Organisation nur kurz war.
Ich habe schon kurz nach Beginn meiner Reise-Tätigkeit
begonnen immer ein bis zwei Bücher in
meine Mappe zu stecken. Ausserdem musste
ich oft in Kaffeehäusern oder bei gutem Wetter auf Parkbänken auf den nächsten
Termin warten, lesend warten ist doch klar.
Und nun überlege ich mir, wie viele Stunden ich in den
über fünfzig Jahren Berufstätigkeit, gelesen habe? Es sind bei nur 3 Stunden
Täglich aber es waren wohl mehr im Durchschnitt zwischen 30 und 40 TAUSEND
Stunden Lektüre. Bei weitem nicht alles war hochstehende Literatur aber doch
sicherlich ein nicht unbeträchtlicher Teil!
Jetzt als Rentner habe ich eigentlich nicht viel mehr Zeit
zum Lesen, ausserdem lese ich nun
l a n g s a m e r und muss meinen Augen immer Mal wieder eine
Ruhepause gewähren.
Aber noch einmal zurück zum Warten, seit wir, als Kind
oder Jugendlicher begriffen haben sterblich zu sein warten wir doch irgendwie
auf den Tod,
ob ängstlich oder abgeklärt, aber warten tun wir alle.
Das viele Lesen hat mir sicherlich dazu verholfen dieses Warten sehr gelassen anzugehen
und zu relativieren, denn durch gute Literatur wird der Horizont so erweitert, dass
man weit über seine eigene Nasenspitz hinaus sieht.
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