Montag, 30. Januar 2017

Strohhut

Ihren Namen weiss ich nicht mehr genau, irgendetwas mit der Endung …..kis dass sie eine schillernde Persönlichkeit in dieser Kleinstadt war bleibt mir aber gut in Erinnerung. Sie und ihr schon längst verstorbener Ehemann waren lange vor dem zweiten Weltkrieg aus ihrer Griechischen Heimat in diese Kleinstadt am See gezogen. Dieser Grieche war Kunstmaler, na ja er malte eher „niedliche“ Kinderbilderchen  und idealisierte Portraits. Kaum eine der bürgerlichen oder gar grossbürgerlichen Familien entging seiner Kunst. So sah man in den meisten Wohnungen niedliche Bilder der Kinder oft auch der Eltern. Frau X malte auch, noch süsser als ihr verstorbener Ehemann, aber  neben hübschen Blumensträussen eben auch Portraits.
Er war damals—so sagte man mir, denn er war schon lange tot als ich in diese Stadt zog— das ganze Jahr über immer  äusserst elegant weiss gekleidet. Seine Witwe geisterte durch die Stadt, grüsste alle  ob sie diese Menschen nun kannte oder nicht war ihr ganz egal. Wo immer etwas los war traf man Frau X. Sie stellte ein Mal pro Jahr, so kurz vor Weihnacht, ihre Bilder aus. Teuer waren diese Aquarelle nicht und  sie verkaufte  doch recht viele davon, ob die Leute aus Mitleid oder weil die Bildchen Anklang fanden kauften, weiss ich nicht.
Frau X kleidete sich immer in Pastell-Farben und trug stets einen exuberanten, mit Seidenblumen geschmückten, Strohhut. War irgend eine Beerdigung anberaumt, Frau X war dabei, im Besonderen wenn danach zu einem Aperitif oder gar zu einem kleinen Imbiss geladen wurde.
Bei der Abdankungsfeier in der Friedhofkapelle entledigte sich Frau X ihres—doch zu fröhlichen Hutes—und legte ihn—den bunten Strohhut—auf die letzte, meist unbesetzte Bank der Kapelle. Bei der Beerdigung eines Notabeln der Stadt passierte dann das Malheur, einer der Angestellten des Bestattungsinstituts, wohl ein Neuling, legte den Hut mit den Kränzen zusammen auf den Sarg, der dann zum Grab gefahren wurde.

Ernst blieb kaum ein Gesicht, als Frau X schreiend versuchte ihren Hut vor dem Totengräber zu retten. Man sah Frau X danach nie mehr bei Beerdigungen bis, ja bis, sie selbst in ihrem, unter der Blumenpracht verborgenem Sarg zu Erde getragen wurde.

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