Dienstag, 26. Mai 2015

Frühlingsgefühle oder La vie est belle!

Das erste Mal als sie sich gesehen hatten waren beide erst seit einigen Tagen verwitwet. Es war ein regnerischer kalter Novembertag und das Leben schien beiden nicht mehr lebenswert.                              Die Frau von Ernst war nach stoisch ausgehaltenem Leiden—sie litt an ALS (amyotrophischer Lateralsklerose)—man muss schon  sagen, jämmerlich verendet. Ernst war am Boden zerstör.              Erika hingegen trauerte—ja trauerte sie denn wirklich?—um ihren stets untreuen und nun so plötzlich verstorbenen Ehemann, der im Bett einer seiner vielen Freundinnen an plötzlichen Herzversagen gestorben war.                                                                                                              Erika hatte seit langem gedacht dass ihr Mann gar kein Herz habe, wurde aber durch diesen Tod eines besseren belehrt.                                                                                                                                    Ein starker Windstoss hatte den kleinen Schirm Erikas zerstört und Ernst bot dieser trauernden  noch jugendlichen Frau ganz im schwarz an, sie unter seinem solideren Schirm zu ihrem Auto am Parkplatz zu begleiten.                                                                                                                                    Die beiden trafen sich zufällig mehrmals auf dem Friedhof. Das erste Mal an Heilig Abend, dann am elften Februar. Mit Erstaunen stellten beide fest, dass ihre verschiedenen Ehepartner beide am selben Tag geboren waren, allerdings nicht im selben Jahr. Ernst war knapp über fünfzig Erika einige Jahre jünger. Erikas Mann war mehr als zehn Jahre älter gewesen, Ernsts Frau fast gleich alt wie er. Und nun an diesem strahlenden Karfreitag begegneten sie sich erneut bei den nebeneinander liegenden Gräbern, diesmal war Erika frühlingshaft gekleidet, die Zeiten Jahrelang Trauer zu tragen waren längst vorbei, Ernst sah auch in Jeans und Hemd sehr gut aus.                                                   Da nahm Ernst seinen ganzen Mut zusammen und lud diese noch junge Leidensgenossin zu einem Kaffee ein. Erfreut nahm Erika deren Name er ja noch nicht kannte, und die ausgerechnet wie seine verstorbene geliebte Gattin hiess, an.                                                                                                            Im nahen Tea-Room fand das erste richtige Kennenlernen statt. Es gibt mehr Zufälle im Leben als man denkt, Ernst hiess auch der verstorbene Mann von Erika. Lange wurde diskutiert ob dies nun ein gutes oder im Gegenteil ein schlechtes Omen sei. Beide entschieden sich ob nun gutes oder schlechtes Vorzeichen, vorsichtig mit dieser—wie sie merkten—spriessenden Liebe umzugehen. Die Zeit verging, sie wurden ein Paar und hatten nur einen Plan, miteinander glücklich zu werden. Für kurze Zeit ging der Plan auch auf, bis, ja bis, die Beiden eines Abends nach dem Konzert auf dem, des schönen Wetters wegen zu Fuss gemachten Heimwegs , zu einem streitenden Paar kamen; sie wollten den Streit schlichten und wurden von den beiden brutal zusammengeschlagen. Nun lagen sie zusammen in der Klinik, Ernst hatte das rechte Auge verloren Erika litt an retrograder Amnesie. Das, bei Sozialamt und Polizei längst bekannte Schlägerpaar soff sich weiterhin, dank Sozialhilfe auf Kosten der Allgemeinheit durchs Leben.

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