Sie, Henriette war die wohlbehütete und einzige Tochter eines
sehr reichen Verlegers gewesen. Sie war schon sehr jung verwaist da beide
Eltern bei einem Unfall ihr Leben lassen mussten. Aufgezogen wurde sie von zwei
Tanten, den Schwestern ihres Vaters. Sie genoss eine grossbürgerliche
Erziehung, schon im Backfischalter kam sie in ein Luxus-Internat in der
französischen Schweiz wo sie die Matura als Beste ihres Jahrgangs bestand, was
viel bedeutete, mussten doch die Schüler von Privatschulen eine sogenannte
Eidgenössische—also viel strengere—Matura absolvieren. Danach machte sie in Göttingen und München ein
Literatur-Studium dass sie sogar mit einem Doktorat abschloss.Nun war sie eigentlich sehr
gut vorbereitet, in dem Verlag—den ihre Tanten bisher leiteten—die
verlegerische Leitung der Sparte Literatur zu übernehmen; die Abteilung
Sachbücher—vor allem Medizin, Physik Chemie und Mathematik leitete eine ihrer
Tanten, sie war Ärztin, hatte aber nach ihrem Studium nie ihren Beruf ausgeübt
denn sie war ,nach dem unerwarteten Tod des Bruders, sofort in den vom
Urgrossvater gegründeten Verlag eingestiegen.
Beruflich hatte Henriette grossen Erfolg, denn
der Verlag, der bis anhin achtzig Prozent des Umsatzes mit Sachbüchern
realisierte, mauserte sich im Lauf der Zeit zu einem der wichtigsten im Land,
und dies dank Henriettes unbestechlichem Gespür für gute, wenn nicht gar sehr
gute Literatur und ihrem fairen Umgang mit oft schwierigen Autoren. Henriette
war alles andere als eine Schönheit, sie hatte grobe, fast schon hässliche
Gesichtszüge und eine chronische Hautkrankheit. Dadurch war ihr Gesellschaftsleben,
trotz ihrer intellektuellen Qualitäten, inexistent. Manchmal musste sie aber,
dem Kommerz zu liebe, im Rampenlicht stehen denn sie war einzige Besitzerin
des—bisher von den Tanten verwalteten—Verlags. Als sie schon in mittleren
Jahren war, machten sich immer mal wieder Männer an sie heran, boten ihr sogar
die Ehe an um, nicht etwa in ihr Leben zu treten, sondern um in den so
prosperierenden Verlag einzuheiraten. Henriette merkte meist—aber eben nur
meist—die Unehrlichkeit der Anwärter, bis Thilo kam. Thilo war ein gut
aussehender Zahnarzt mit eigener Praxis, er war frisch geschieden—von einer
Psychisch kranken— rechthaberischen Frau. Thilo war eigentlich mehr
an Literatur und Kultur im Allgemeinen, als an seiner Praxis interessiert. Er
liebte schnelle Autos und schicke Hotels. Wie er es fertigbrachte, die sonst
vor und klarsichtige Henriette um den Finger zu wickeln ist im Nachhinein
absolut unverständlich. Immerhin war er der erste Mann mit dem sie ins Bett
ging. Für die, auf sexueller Ebene ganz unerfahrene, Henriette war er ein
phantastischer Liebhaber, konnte sie doch nicht vergleichen. Diese mehrmals
wöchentlich stattfindenden Liebesstunden trübten den –sonst so klaren—Verstand
Henriettes. Als
sie wieder klar denken konnte und einige schwere Macken an Thilo entdeckte war
sie schon um einige Hunderttausend Mark ärmer.Thilo hatte sie nie um etwas
gebeten, seine Art und die Blicke sagten ihr aber ganz klar was ihn freuen
würde. Als sie eines Tages starke plötzlich auftretende Zahnschmerzen hatte und
in Thilos Praxis –die sie noch nie besucht hatte—gehen wollte, stand aber Thilos Name nicht auf dem Praxisschild dieser Gruppenpraxis.
Sie trat ein und wollte ihren, ja was nun, Verlobten, Bald Ehemann oder doch
Liebhaber sehen. Nach längerem Hin und Her erfuhr sie, durch den wirklichen
Inhaber dass Thilo schon seit langem, wegen unangemessenem Verhalten
Patientinnen und Mitarbeiterinnen gegenüber, aus der Praxis ausgeschlossen
worden war. Nach einer notfallmässigen provisorischen Behandlung ihres
schmerzenden Zahnes, vom Inhaber persönlich vorgenommen, fuhr sie zu Thilos
Wohnung. Einen
Schlüssel hatte sie nicht, war auch noch nie dort gewesen, fand aber nach längerem Suchen den von ihr
bezahlten Porsche 911 vor einem heruntergekommenen Reihenhaus um das mehrere
schmutzige Kinder tobten. Nun wollte sie der ganzen Wahrheit ins Auge blicken.
Resolut klingelte Henriette an der Haustür ,eine ungepflegte sichtlich genervte
Frau riss die Tür fluchend auf, verstummte aber beim Anblick der immer noch
hässlichen aber elegant gekleideten Dame, die so gar nicht in diese vergammelte
Gegend passte. Thilo war nicht da. Er kommt, sagte die Frau, nur ab und zu,
stellt eins der Autos ab und fährt mit dem anderen wieder weg. Den vom
Scheidungsgericht verordneten Unterhalt hat er nur sehr selten und auch nie
vollumfänglich bezahlt, sie lebte mit den vier Kindern von der Sozialhilfe.
Manchmal, aber eher selten, kommt er mit Geschenken für die Kinder, mit mir
redet er nie. Als Henriette sich einigermassen gefangen hatte, ging sie in den
Verlag und tat ihre Arbeit, als sei nichts geschehen. Als sie zu Hause unter der Dusche stand, kam
Thilo nackt ins Badezimmer und stellte sich ganz selbstverständlich zu ihr
unter die warme Brause. Also wusste er nichts von ihrer Entdeckung. Henriette
überwand den aufkommenden Ekel und dachte sich während des „Liebesaktes“ –zum
Glück bin ich die Frau und kann einen Orgasmus vortäuschen—als Mann müsste ich jetzt
eine Ausrede finden oder die Katze aus dem Sack lassen. Beide gingen in dem, auch
neuen, BMW in ein sehr angesagtes Lokal, wo, wie Henriette genau wusste Tratsch
und Klatsch zu Hause war. So süss wie möglich fragte sie ihn nach seinem
Arbeitstag, er antwortete mit vielen lustigen Anekdoten und Witzchen über die
behandelten Patienten und verstrickte sich sehr gekonnt immer weiter in
seine Lügen. Henriette genoss es, trotz
ihrer inneren Wut ihn nun nach seinem Leben auszufragen. Nach langem Essen und
Gespräch liess sie genüsslich und lautstark—damit der ganze Jet-Set es hören
musste—ihrer Wut freien Lauf; ohne auch
nur ein unanständiges Wort anzuwenden, wenn
Erbschleicher Zuhälter Profiteur, Sozio und Psychopath als Feststellungen und
nicht als Beschimpfungen gelten. Henriette wurde älter, von Männern hatte sie
genug, der Spass beim Sex, den sie ja wirklich sehr genossen hatte, war es nicht wert einen weiteren Versuch und
eine erneute Enttäuschung zu riskieren.
Nun reiste sie viel. Überall dort wo junge Männer auf Frauenfang aus
waren um sich eine Möglichkeit nach Europa zu
kommen zu schaffen, kehrte sie
den Spiess um—sie genoss, bezahlte auch mal eine Uhr oder ein neues Hemd—aber
dann verschwand sie ohne Abschied; als Dame von Welt liess sie immer einen
wohlgefüllten Briefumschlag an der Rezeption so als Trostpflästerchen.
Plötzlich war sie alt, das heisst
sie fand sich alt. Mehrere Krankheiten kamen dazu und so entschloss sie sich
ihrem Leben ein Ende zu setzten, nicht ohne vorab ein Testament zu machen. Da
sie durch lange Erfahrung keinem Menschen mehr vertraute und Tiere sehr liebte
hatte sie eine Folgenschwere Idee. Ja sie hatte doch vor einiger Zeit im
Schweizer Fernsehen einen Tieranwalt gesehen. Er hiess Adrian Frey und kümmerte
sich weltweit um das Wohl von Tieren, ja er sammelte Gelder um weltweit
Tierschutz-Vereine zu unterstützen. Und darum schickte sie ihm, vor ihrem
wohlüberlegten und gut vorbereiteten Suizid, einen Brief mit Testament. Und das Testament lautete folgendermassen: Ich
Henriette vermache mein ganzes Vermögen Herrn Andreas Frey an der XXX Strasse in XXX Schweiz, damit er mit dem Erlös aus
Verlag und Immobilien das unterstützt
was ihm am Herzen liegt. In einem zweiten Rundschreiben informierte sie
Behörden und ihren Verlag darüber, dass ihr Testament, mit derselben Post an
diesen Herrn Andreas Frey an der XXX Strasse in XXX Schweiz geschickt worden sei. Das
Testament kam an, kam überraschend gut an bei Herrn Andreas Frey an der XXX Strasse in XXX Schweiz. Leider
bekam der ach so liebe Tierschützer A D
R I A N Frey auch wohnhaft an der XXX
Strasse in XXX Schweiz keine Post von Henriette. Die
Tiere hatten das Nachsehen und gäbe es eine Existenz nach dem Tod würde sich
Henriette sicherlich im Grabe umdrehen.
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