Dienstag, 21. Juni 2016

B&B

Janet hatte sich ein halbes Leben lang darauf gefreut. Sie hatte insgeheim schon vor Jahren, als ihre drei Töchter noch recht klein waren, angefangen daraufhin zu arbeiten. Janet war, auch wenn sie nun schon so lange in dieser Kleinstadt in der Westschweiz lebte, immer noch eine echte Britin geblieben. Ihr Traum war es, wenn die drei Töchter das Haus verlassen würden um irgendwo sei’s zu studieren sei’s zu heiraten, ein typisch britisches Bed & Breakfest zu eröffnen. Schon beim Bau des recht geräumigen Hauses hatte Janet—ohne es ihrem Gatten Georges, einem waschechten Schweizer, zu gestehen—alles daraufhin geplant. Der „Kinderflügel“ der Villa, mit zwei Bädern und Toiletten und den vier Zimmern eignete sich sehr gut für ihre Pläne. Das vierte Zimmer war das Zimmer für ihr, leider schon vor langem an einem bösartigen Hirntumor verstorbenem Söhnchen gewesen. Janet war überzeugt, dass die Arbeit ,die das Einrichten und dann später das Betreiben des B&B ihr abverlangen würde, sie zumindest zeitweilig daran hindern werde an ihren kleinen kahlköpfigen Engel zu denken! Es konnte jetzt beginnen, alle drei Töchter waren endgültig ausgeflogen. Das Einkaufen und Einrichten der vier Gästezimmer sowie die Änderung des grossen Gartens, mit Bau eines Pools, war zwar harte Arbeit, machte aber viel Spass. Nur Georges war really  „not amused“  hatte er doch von Janets Plänen nichts gewusst. Ja Janet hatte es für sich „in Petto“ behalten, um ihren ach so gutmütigen Georges dann, wenn es endlich so weit wäre, zu überrumpeln und jetzt war es soweit.
An diesem Abend, kurz nach Beginn der Umbauarbeiten, Janet hatte Georges Lieblingsessen gekocht, erklärte sie wie sie sich ihr B&B vorgestellt hatte und vor allem was Georges Rolle dabei sein würde. Es kam, zum ersten Mal in ihrer dreissigjährigen Ehe zu Streit—echtem hartem Streit—.
Monate danach, der Streit hatte einem waffenstillstandähnlichen Groll platz gemacht, kamen die ersten, übers Internet angelockten Gäste. Es stellte sich eine gewisse Ruhe ein, mal waren die vier Zimmer besetzt meist aber nur eins oder zwei. Dann eines Tages kamen vier Paare aus Japan mit mehreren Kindern und die Heisswasserversorgung brach zusammen. Wochen später zog Georges ins Hotel, er ertrug die chinesische Grossfamilie nicht, ihm wurde übel beim Zusehen wie diese (un)Menschen sich beim Frühstück benahmen. Nach der halbherzigen Versöhnung und dem Versprechen, nur noch Amerikaner, Australier und Europäer, aber weder Russen noch Asiaten aufzunehmen—was eine Abkehr vom Internet und eine Verminderung der Gästezahlen zur Folge hatte, kam Georges zurück und nahm seine Aufgaben—Einkauf des  Frühstücks und Gartenpflege—wieder auf. Nach dem nächsten Problem, schien das bisherig Schiefgegangene nur „Peanuts“ gewesen zu sein.
Eines schönen Tages, es war in einer Schönwetterperiode, kam ein amerikanisches Ehepaar, sie hatten  sich telefonisch  angemeldet und zwei Zimmer reserviert. Auch hatten sie nach dem Pool gefragt, weil ihr halbwüchsiger Sohn so gerne im Pool plansche. Der Sohn war ein, an Trisomie leidender, Hüne. Sanftmütig sei er, sagten die etwa sechzigjährigen äusserst liebenswürdigen Eltern. Eigentlich ging es recht gut, denn es waren zur selben Zeit keine anderen Gäste im Haus. Am dritten Morgen erschien der Sohn schon recht zeitig alleine zum Frühstück. Auf die Frage wo seine Eltern denn seien, stotterte er nur we… we.. weggefahren und richtig das Avis-Auto stand nicht mehr auf dem Parkplatz unter dem schattenspendenden Kastanienbaum. Von den angeblichen Eltern—weder Name noch Adresse waren echt—hörten die bedepperten B&B Betreiber nie mehr etwas, das Geld für die Übernachtung hatte fein säuberlich und auf den Rappen genau auf dem Nachttisch des Elternschlafzimmers gelegen. Nach mehreren Tagen kam endlich die Polizei mit einer Sozialbeauftragten und holte den „Vergessenen“ ab.
Wenige Tage danach stand ein selbstgemachtes Schild vor dem Haus, Bed & Breakfest mit vier Gästezimmern und einem Pool, umständehalber sehr günstig zu verkaufen.


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