Donnerstag, 4. Juni 2015

Verrat und späte Reue

Eigentlich hätte er ein glückliches Rentnerleben verdient und auch haben können, wenn, ja wenn dies Schuldgefühl nicht seine Ruhe gestört hätte. Vor vielen Jahren, er war schon recht lange verheiratet gewesen, war seine Frau plötzlich krank geworden. Sie gingen zusammen zum Hausarzt. Eine Verdachtsdiagnose, die ihr, seiner Frau, natürlich versteckt wurde war schnell gestellt. Dazu muss erwähnt werden, dass er den Arzt seit Jahren sehr gut kannte, war er doch Pharmavertreter.                        Er hatte zwar nach seiner Ausbildung zum Pfleger einige Jahre im Universitäts- Spital gearbeitet, weil er aber weder Homosexuell war noch  Beziehungen spielen lassen konnte, war ein Aufstieg auf der Karriereleiter , trotz gutem Arbeitseinsatz kaum möglich gewesen; und so ging er frustriert wie so viele die nicht ins „Spitalschema“ passten ,in die Pharmaindustrie wo er schon zu Beginn mehr als das Doppelte verdiente.                                                                                                                          Somit stand der seit langem geplanten Ehe nichts mehr im Wege. Nun nach mehr als zehn gemeinsamen Ehejahren, die leider ohne Kinder geblieben waren, plötzlich dieser Schock .             Der Verdacht war eine beginnende Multiple Sklerose. Damals, es war in der Zeit vor Computertomografie oder gar Kernspin-Untersuchung, war die Zuordnung der beunruhigenden Symptome eine reine Ausschlussdiagnose. Nach einem heissen Bad hatte Corinne plötzlich Sehstörungen bemerkt und ein verdächtiges Kribbeln in Armen und Beinen verspürt. Nach wenig Tagen klangen die eher schwachen Empfindungsstörungen rasch ab, auch die neurologischen Untersuchungen mit Lumbalpunktion waren unauffällig. Das Damoklesschwert blieb aber –glücklicherweise unsichtbar—über ihrer Ehe schwebend, bestehen. Corinne, wie viele Patienten, profitierte beinahe schamlos von der Krankheit, die sie selbst nie einer genauen Diagnose zuordnete. Wenn ihr irgendetwas nicht passte, sei es eine soziale Verpflichtung oder eine zu leistende Arbeit, ging es wegen komischen neurologischen –nicht objektivierbaren—Beschwerden nicht. Jahrelang war Oliver der willige Diener seiner eigentlich gesunden aber die Krankheit auskostenden Frau. Irgendwann hatte er die Nase voll. Dann schmiedete er einen diabolischen Plan. Oliver kannte seine Frau Corinne sehr gut, deshalb wusste er auch –was sie ihm immer versteckt hatte—dass sie eine grosse Angst vor dem Älterwerden hatte und immer wieder eine Betätigung, wie jung und gut aussehend sie noch sei, brauchte. Oliver hatte einen sehr guten Freund, einen Arzt der auch sein Kunde war und der seit einiger Zeit von seiner Frau verlassen, sich depressiv  zu Hause eingemauert hielt. Auch Corinne kannte natürlich diesen Arzt, er hiess Stanislas und war oft mit seiner Frau zusammen bei ihnen zu Besuch gewesen.                                                                                             Ihm vertraute Oliver sich an, schilderte ihm wie er an Corrines „Krankspielen“ litt und bemitleidete zugleich Stanislas der nicht über den Verrat seiner Frau—oder doch eher   den Verlust des gewohnten Umfelds—hinweg kam. Bei der dritten Flasche Château Margaux dem Lieblingswein Ernest Hemingways –den Oliver als Mensch und als Literat verehrte—schmiedeten sie einen Plan, sich an den Frauen zu rächen. In ihrem Alkoholwahn schien ihnen alles absolut logisch und richtig. Dass es nach Ausnüchterung immer noch bei diesem Plan blieb ist erstaunlich und zeugt vom grossen Frust der beiden Freunde und Leidensgenossen. Der erste Teil des Plans war sehr einfach. Oliver musste wie jedes Jahr, an einen Rheumatologen-Kongress im benachbarten Frankreich und zwar in Aix-les-Bains. Zu dieser Zeit war es noch schwierig aus Frankreich in die Schweiz zu telefonieren. Und nun zum Plan.                                                                                                                                                        Stanislas sollte spontan zu Oliver und Corinne zu Besuch kommen um sich über die Untreue seiner Frau zu beklagen und wenn möglich trösten zu lassen. Weil Oliver am Kongress in Aix-les-Bains war, was Stanislas nicht zu wissen vorgab, wollte er sofort wieder gehen aber Corrine hielt ihn zurück indem sie, sanft flirtend sagte „ ach ich bin ja schon seit zwei Tagen ganz allein zu Hause“. Stanislas liess sich nicht lange bitten, er blieb –wie geplant—.                                                                    Nun beklagte er sich weinend über die Untreue seiner Frau. Dann überschüttete er Corrine mit Komplimenten über ihr viel frischeres und jüngeres Aussehen als jenes seiner untreuen Ehefrau. Corrine schmolz nur so dahin, was ihr Stanislas sagte ging ihr wie Balsam herunter direkt in die Seele und auch in den Unterleib. Stanislas beklagte Corrine auch wegen ihrer Kinderlosigkeit und suggerierte ihr, sie sei ja noch nicht zu alt um doch noch ein Kind zu bekommen.                                   Und so überraschte der –aus Sorge—noch spät nachts zurückgekehrte Oliver die Beiden, seine untreu gewordene Frau und den“ vermeintlich verräterischen“ Freund, wie geplant, in voller Aktion. Es kam natürlich in der Folge zu einer –für Oliver sehr günstigen—Scheidung, denn die ganze Schuld war auf Corinnes Seite, dies fand auch der Scheidungsrichter.                                                         All dies ging ihm fast täglich durch den Kopf obwohl es nun schon so weit zurück lag und er fragte sich immerzu, ob Corinne ihn irgendeinmal auch ohne die organisierte Verführung, betrogen hätte. Und diese Ungewissheit  verdarb ihm sein Altersdasein.

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