Ich hatte einen Freund—oder doch eher einen sehr guten Bekannten—der
in Lausanne ein Geschäft für Antiquitäten betrieb. Er war in den vielen Jahren
mehrmals umgezogen. Sein richtiger Name spielt keine Rolle, alle nannten ihn
Poulet, zu Deutsch Hühnchen. Dieser Zuname kam aus seiner Zeit als Kleinkind wo
er oft bei seinem Grossvater auf dem stattlichen Bauernhof abgegeben und erst
mehrere Tage oder Wochen später wieder abgeholt worden war. Der Grossvater
nannte ihn, seiner liebe zum Federvieh wegen „mon petit poussin“ „mein kleines Küken“ Später ist dann daraus
„Poulet“ geworden.
Poulet hatte den Schalk im Nacken und immer Whisky im Glas.
Stadtbekannt waren die Pokerrunden die er nachts im Hinterzimmer seines Ladens
organisierte. Oft fanden ihn Kunden schnarchend auf einem Sofa oder in einem
bequemen Sessel seinen Rausch ausschlafend. Wurde er geweckt brauchte er erst
mal ein kühles Bierchen. Poulet roch wegen seiner durchzechten Nächte recht streng,
was er aber mit ständigem Zigaretten und Zigarren rauchen zu übertönen suchte.
Poulet war eben eine schillernde Persönlichkeit.
Das Aussergewöhnliche lag in der Familie, sein Vater war Antiquar in
Genf, auch schon er war ein Original; kamen Kunden zu seinem, im schicksten
Geschäftsviertel und nicht etwa in der Altstadt liegende, Laden fanden sie oft
die Tür abgesperrt. Allerdings sah man den alten Antiquaren in seinem Sessel
beim Lesen. Stammkunden geduldeten sich bis er sein Buch zur Seite legte,
Laufkunden nervten sich und klopften an die Scheiben. In solchen Fällen legte
er sein Buch behutsam zu Seite und kam zu dem Ungeduldigen den er regelrecht zusammenschiss.
Wenn ich Verlaine, Baudelaire Rimbaud
Mallarme oder sonst einen unserer grossen Poeten lese will ich nicht gestört werden, ich merke
wohl dass da jemand vor der Tür steht unterbreche deshalb aber kein Gedicht,
verstanden. Und jetzt, womit kann ich dienen?
Und so ist es nicht erstaunlich, dass unser Poulet sich viele
fragwürdige Fanfaronaden leistete,
allerdings immer mit einer gewissen Dosis an Ironie.
Hier einige Beispiele seiner Heldentaten. Als die Schweizerische
Nationalbank neue Zehnfrankenscheine herausgab kaufet er tausend druckfrische Scheine, legte sie in
einen Korb und stellte sie im Laden auf mit der grossen Anschrift: Druckneue
Zehnfrankenscheine Preis Fr. 5.- - Stück.
Wie sehr er sich freute, dass er in einer ganzen Woche nur
drei dieser Scheine verkaufen konnte weil die meisten Kunden glaubten es
handle sich um Falschgeld.
Einmal hatte er eine grössere Anzahl Taschenuhren gekauft etwa
fünfzig Stück. Die Uhren waren Fabrikneu allerdinge handelte es sich um
Restbestände einer Uhrenmanufaktur die seit den Dreissigerjahren geschlossen
war. Die Uhrgehäuse waren nicht aus Stahl wie wohl alle Kunden glaubten sondern
aus Platin.
Auch hier schrieb er einen Phantasiepreis an der nie und nimmer den
Metallwert von Platin wiederspiegelte und er konnte nur eine einzige Uhr davon
an den Mann—mich selbst— bringen auch dies fand er sehr lustig.
Nun zu einem anderen Thema. Poulet gehörte zu den Männern die sehr
viel Testosteron freizusetzen schienen. Trotz seines durch Alkohol und
Rauchen ein wenig verwahrlosten
Erscheinens hatte er recht viel Erfolg bei einer gewissen Art von Frauen. Aber
weil er alle oder doch fast alle Frauen.egal welchen alters, begehrte hatte er sich eine recht
eigenwillige Methode angeeignet. Er stand vor seinem Laden, kam mit den Frauen
die ins Schaufenster sahen ins Gespräch und genierte sich nicht rundherum zu
fragen: wollen sie mit mir—nicht etwa schlafen—nein ficken? auf Französisch baiser!
Als er es mir erzählte sagte ich ihm: du kriegst sicher ab und zu eine
Ohrfeige. Ja bestätigte er mir aber ich vögle täglich!
Das war eben POULET!
Poulet war mehrmals verheiratet gewesen, seine letzte Frau hat er aus
Thailand mitgebracht, ob er von der vorherigen geschieden war sei
dahingestellt. Irgendwann als er etwa knapp sechzig Jahre alt war verlor er den
Kampf gegen seine harte Leber, das ist zwar recht jung zum Sterben aber wenn
man so intensiv gelebt hat ……. ausserdem war damals die kleine blaue Pille noch
nicht erfunden und er hatte sich in den letzten Monaten über Probleme „da unten“geäussert.