Ob sie aus Ungarn, Tschechien oder aus dem Balkan stammte ist
ja einerlei, so wie sie aussah würde sie nicht lange als Hilfspflegerin
arbeiten. Ob sie nun in Österreich, der Schweiz, Deutschland oder einem anderen Land diese Spitalarbeit gefunden hatte ist schlussendlich auch egal. Wer sie
sah dachte meist an das ausklappbare Zentralbild von Herrenmagazinen der
Siebziger-Jahre. Ihr Anblick war, für die meisten Pflegerinnen eine Qual, die
Ärzte und Pfleger, wenn sie nicht, wie sehr oft, schwul waren sahen das ganz
anders. Sie hatte viele Affären, war dabei aber immer sehr umsichtig und
diskret. Irgendwie erreichte sie, dass ihre Liebhaber dieselbe Zurückhaltung an
den Tag legten—man munkelte viel, wusste aber nichts—.Sie, nennen wir sie
Jovanna, arbeitete sehr gut, nie kamen Reklamationen oder auch nur schon
Bemerkungen, im Gegenteil sie wurde immer und von allen Patienten, aber auch
von Patientinnen, in höchsten Tönen, gelobt. Und dann kam dieser ältere Patient,
mit gebrochener Hüfte, in die Abteilung. Heinrich, so hiess der Patient war ein
gebildeter aber leider sehr ungepflegter Mitsechziger, alleinstehend—ja er
hatte nie geheiratet—der in seiner verqualmten, mit Büchern vollgestopften
Wohnung, eines Abends wohl bedingt durch ungehemmten Weingenuss, über einen
seiner vielen Teppiche gestürzt war. In jungen Jahren schon, als sein Vater an
einem Herzversagen plötzlich starb, hatte er das Buchantiquariat das schon der
Grossvater gegründet hatte, geerbt. Darum brach er sein altphilologisches
Studium ab und kümmerte sich um das Antiquariat und seine noch nicht sehr alte
Mutter. Die Geschäfte liefen gut und Heinrich wurde, durch Selbststudium, zum
versierten Buchhändler und ein wenig zum Privatgelehrten. Es war die Zeit vor
den modernen Kommunikationsmöglichkeiten und nach dem Erscheinen seiner
Kataloge meldeten viele seiner Kunden einen Besuch in seinem
Antiquariat an. Als er das Antiquariat, nach vielen Jahrzehnten, an einen
seiner Konkurrenten verkauft hatte,
füllte er seine Wohnung mit all den Büchern von denen sich zu trennen ihn am meisten schmerzen würde. Durch den Wegfall seiner Kunden nach dem Verkauf waren
seine sozialen Kontakte auf ein absolutes Minimum reduziert. Wirt und
Serviererin, da wo er seinen Mittagstisch hatte und die Kassiererin im kleinen
Quartierladen wo er Zigaretten, Wein, Schnaps und den übrigen Bedarf deckte,
waren die wenigen Menschen mit denen er kommunizierte. Und nun war er zum ersten Mal in einem
Spital, Ärzte hatte er im ganzen Erwachsenenleben nur selten gesehen, ach ja
bei der Aushebung zum Militär hatte ihn ein netter älterer Arzt ausgemustert,
warum ist nicht bekannt. Nun wurde er endlich einmal gründlich untersucht, wie
staunten die Ärzte, dass er trotz eines ansehnlichen Weinkonsums und
Kettenrauchens, nicht nur dem Alter entsprechend, kerngesund war. Jovanna
pflegte ihn sehr sehr liebevoll, soviel Zuwendung hatte er noch nie in seinem
Leben erfahren. Um seinen sexuellen Bedürfnissen nachzugehen, war er, als er
noch jünger war, regelmässig nach dem benachbarten Ausland—wo es noch Bordelle
gab— gefahren; aber dieses Bedürfnis –so dachte er—war vorbei. Nuttenmässig sah
Jovanna nicht aus, gab sich auch nicht so, schon eher Vamp- mässig
selbstbewusst. Mit dem laufen hatte Heinrich viele Probleme, für eine gute
Physiotherapie und weitere Pflege kam er in ein privates, seinen finanziellen
Möglichkeiten angepasstes, Klinikum.
Jovanna besuchte ihn jeden Abend, ja sie nahm die circa achtzig Kilometer gerne
in Kauf, denn sie hoffte dass es gut investiertes Geld sei. Man
konnte Heinrich vieles nachsagen, doch war er weder naiv noch dumm. Er sah
Jovanna wie die Kirsche auf seinem Alterskuchen, und er hatte sehr schnell
Gefallen an dieser Kirsche gefunden. Dass die Kirsche, kurz nach der etwas
unüberlegten und forcierten Heirat recht bald zu einer „Sauerkirsche“ mutierte
hatte Heinrich nicht erwartet. Er kaufte Jovanna eine Wohnung, blieb aber
lieber alleine in seiner altbekannten Bleibe. Jedes Mal wenn Jovanna Geld forderte,
sie war meist nicht in ihrer Wohnung sondern irgendwo im Ausland, gingen sie
zusammen zur Bank wo Jovanna ums Geld
feilschte wie ein Marktweib um halbverdorbenen Fisch. Eine Vollmacht für seine
Konten hat ihr Heinrich, klugerweise, stets verweigert. Ob Jovanna sich ab und
zu, auf gewisse Art und Weise, dankbar erwies, sei dahingestellt! Seit kurzem kümmert sich ein neuer „Vamp“ um
Heinrich, der inzwischen ins betreute Wohnen abgewandert ist. Dieser neue
„Vamp“ nistet sich nun in der Wohnung der noch Ehefrau ein und drängt den armen
Heinrich —ganz uneigennützig—sich von diesem schrecklichen schmarotzenden
Weibsbild, Jovanna, scheiden zu lassen und dann dank ihrer selbstlosen und
liebevollen Pflege das Wohn-Heim zu verlassen und in seine—durch die Scheidung freigeräumte—
Wohnung zu kommen.
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