Sonntag, 5. April 2015

Vom Trinken

Sie beide waren schon ziemlich angetrunken aber, dank der Routine, noch einigermassen klar im Kopf. Lothar lud seine Bar-Nachbarin zu einem Drink ein. Josi  konnte—wie meist— nicht nein sage, also bestellte sie einen Klaren. Dann sahen sie sich an, prosteten sich zu und schon war das Glas leer. Erst mal kam keine richtige Unterhaltung in Gang aber ein Glas gab das Andere und so tranken sie sich gegenseitig –nicht schön—nur akzeptabel, so dass es möglich war die zweite Sache, ausser dem Trinken, die sie verband, zu teilen—die schreckliche Einsamkeit.                                             Josi war wegen ihres Alkoholkonsums von ihrem Mann rausgeschmissen worden, dann kam die Scheidung; die Kinder weigerten sich sie zu sehen, ob aus Scham, Wut oder unter Einfluss des Vaters sowie der Grosseltern? Selbst Josis eigene Eltern hatten sich auf die Seite der Kinder und des Vaters geschlagen. Dabei arbeitete Josi voll, ihr Alkoholproblem verstand sie auf Freizeit zu beschränken—na ja ab & zu mal ein Schnäpschen im versteckten—aber sonst nichts. Josi war das Organisationsgenie dieser kleinen Baufirma, trotz ihrer schlimmen Abstürze war sie immer zuverlässig, obschon meist mit einer Scheisslaune, zur Stelle.                                                                      Lothar war Ermittler, anfangs dachte er, zu einem guten Privatdetektiv gehört ja nicht nur der Regenmantel, sondern auch das Trinken dazu. Später, als er ein richtiges Alkoholproblem hatte, schaffte er es, nicht allzu oft abzudriften. Zurzeit lebte er mal wieder allein, seine letzte Partnerin hat den Versuch, seinen Alkoholkonsum zu steuern, nach mehreren Anläufen definitiv aufgegeben und die Bleibe—von Wohnung konnte man nicht reden—sah entsprechend aus. Davon merkte Josi, als  Lothar sie zu sich abschleppte nichts. In der Küche wo nur das Licht über dem Herd funktionierte, genehmigten sie sich noch ein letztes Bier bevor sie ins ungemachte schmutzige Bett fielen. Durch den Suff bedingt kam nur eine sexähnliche Zweisamkeit auf, bevor beide in einen komatösen Schlaf fielen. Am nächsten Tag, es war Samstag, wachten sie so gegen Mittag auf, sie waren zu viert im Bett. Josi Lothar und zwei bösartige Kater. Den Umgang mit Katern kannten sie beide, aber es war seit Langem das erste Mal dass  sie nicht mit ihrem Kater allein waren. Sie schoben die beiden Viecher zur Seite und sahen sich im hellen Tageslicht zum ersten Mal richtig an, es war für beide kein schöner Anblick. Lothar ging als erster aufs Klo und an den Kühlschrank .Als Josi aus dem Bad kam streckte ihr Lothar ein kühles Bier entgegen, sie prosteten sich traurig zu und versuchten die Realität ein klein wenig zu mildern. Josi sagte seufzend, „wenn ich sehe wie du aussiehst kann ich mir vorstellen, ohne in einen Spiegel zu sehen, was du dir ansehen musst, wirklich nicht schön „ Lothar antwortete nicht nahm aber Josi  das Bier aus der Hand. Dann nahm er sie  in die Arme und überraschte sie mit zartem langedauerndem Liebesspiel. Stundenlang weinte Josi, ihr Gesicht in der Armbeuge von Lothar versteckt; wie ein Kind das glaubt wenn es nichts sieht, wird es sicher auch nicht gesehen. Ja sie wollte nicht gesehen werden, denn sie wusste wie hässlich ihr vom Alkohol ausgemergelter Körper war.                                                                                                                               Weil ausser Bier, das auch fast zu Ende war, der Kühlschrank leer war, gingen sie in die Eckkneipe .Komischerweise hatten beide richtig Hunger, was sonst, wie bei den meisten Trinkern, kaum vorkam. Zum Essen bestellten sie Rose Wein, schön kalt fast wie Bier.                                        Dann fing Lothar an.   „Du ändern werden wir uns beide nicht, aber wir könnten doch mal  versuchen zusammen über die Runden zu kommen “ ?  Und schon wieder rollten die Tränen, diesmal nicht nur über Josis Wangen.

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