Willibald war als Student mit einer Kommilitonin verlobt
gewesen, mehrere Jahre lang dauerte die Verlobung bis, ja bis seine Angebetete
eine bessere Partie fand und sogleich mit dem Herrn Professor in medias res ging. Willibald war am Boden zerstört,
denn Gudrun war sein Ein und Alles gewesen. Ihretwegen hatte er ja Chemie
studiert obwohl seine Interessen eher dem musischen galten. Als Chemiker hat er
nie gearbeitet, nein er ging in einen Wissenschaftlichen Verlag als so was
zwischen Lektor und Redaktor. Reich wurde er damit nicht aber es reichte um
Bücher, Schallplatten,
Kino, Theater und
Konzertkarten zu erstehen und einen stattlichen Weinkeller anzulegen. Mit den Frauen haperte es, meist dauerten
Beziehungen nur kurze Zeit. Willibald wurde trotz seiner jungen Jahre—er war
mitte dreissig—recht schrullig. Irgendwann verliess er seine Deutsche Heimat
und etablierte sich in der Schweiz, er hatte eine Arbeit bei einer der grossen
Pharmafirmen gefunden, wo er ruhig vor sich hin arbeitete und genügend Zeit
rausschinden konnte seinen Hobbys zu frönen und für sich-sinnvolleres zu lesen
als wissenschaftliche Studien.
Irgendwie suchte er immer mal wieder, oder eher permanent
nach einer Partnerin. Obwohl er sehr gesellig war und im Theater, Filmklub und
Galerien schnell Bekanntschaften schloss-die Traumfrau war nicht dabei.
Eins seiner Interessen waren die Tiere, er liebte es sonntags
Früh in den Zoo zu gehen, wenn noch kaum wer da war. Ihn interessierte vor
allem die Verhaltensweise der Tiere. Und eines verregneten Novembersonntags
begegnete ihm eine Frau. Sie, Hedwig, war an ein Meeting für irgendetwas esoterisches nach Basel gekommen und profitierte davon, dass der Zoo in der
Nähe des Bahnhofs lag und der Zug erst
nachmittags zurück nach Münster fuhr. Aus Begegnung wurde Kennenlernen aus Kennenlernen
wurde sich mögen aus sich mögen wurde eine—allen Bekannten und Freunden als
überstürzt erscheinenden—Ehe.
Willibald war Freidenker, Hedwig war Mystikerin, Willibald war
Realist Hedwig war Träumerin, Willibald war sehr, wirklich sehr sinnlich,
Hedwig war allem sexuellen gegenüber total abweisend, sie erduldete anfangs
gewisse Kontakte, stellte dann nach der Heirat fest, kein Interesse am
„Fleischlichen“ zu haben! es konnte einfach nicht klappen zwischen den beiden.
Nicht ganz so schnell wie die Heirat aber doch recht rasch kam die Scheidung.
Willibald sagte mit seinem bissigen schwarzen Humor immer: Irren ist männlich!
Hedwig ging zurück nach ihrem heimatlichen Westfalen,
Willibald nahm sein gewohntes Leben in Basel wieder auf.
Und nun begann eine komische Zeit für Willibald, er sah
Gespenster, er der eingefleischte Realist, konnte es kaum glauben was er sah.
Kam er nachts spät nach Kino oder Theater nach Hause sah er
irgendwo im Schatten—nie unter einer Laterne—Hedwig wie sie stumm und
vorwurfsvoll ins Leere starrte. Manchmal in der Strassenbahn glaubte er im
Nebenwagen Hedwigs steife Figur zu erkennen.
An einem Sonntagmorgen im Zoo, er war eben ins Affenhaus
gegangen glaubte er durch die grossen Glaswände hindurch Hedwig zu sehen.
Willibald war zu sehr Realist um an Geister und Gespenster
zu glauben und zu sehr von seiner geistigen Integrität überzeugt um an seinen
Wahrnehmungen zu zweifeln, intrigierend fand er diese sich wiederholenden
Begegnungen allemal.
Die Auflösung kam während er auf einen Film im Ciné-Club wartete.
Im Kinofoyer traf er einen seiner Bekannten der ihm sagte: weisst du dass deine
Ex-Frau die Hedwig sich bei mir im Geschäft—er war der Musikalienhändler bei
dem Willibald seine Schallplatten kaufte—als Verkaufskraft beworben hat? Nun
war alles klar, Gespenster gab’s immer noch nicht aber einen wandelnden
Albtraum wohl doch.
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