Mittwoch, 7. September 2016

Genussmensch

Gebhard war schon immer—so dachte er—ein Genussmensch gewesen, bis er notgedrungener massen eines besseren belehrt wurde. Ein Anfall von Pseudo Angina-Pectoris brachte ihn notfallmässig ins Hôpital Americain de Neuilly . Er war mit Geschäftsfreunden im Grand Véfour, diesem wunderschönen Dreisternelokal im Palais Royal in Paris, zum Diner gewesen. Als Zigarren und Liköre angeboten wurden hatte er ganz plötzlich einen dumpfen starken Schmerz in der Brust verspürt. Schnell war die Ambulanz da und einer der Geschäftsfreunde, der ja auch in Neuilly wohnte begleitete ihn zur Notfallstation. Schon an nächsten Morgen konnte Gebhard das Spital verlassen, es war nur ein falscher Alarm gewesen, ein Speiseröhrenkrampf der  aber sehr schmerzhaft war und den Gebhard als Alarmzeichen empfand. Zuhause in der Schweiz ging er zum Hausarzt sich einer genauen Untersuchung zu unterziehen. Das Resultat war ein Schock, alle Parameter waren im roten Bereich. Rauchen, vorbei, Bankette vorbei, Alkohol nur noch in Massen. Ab sofort Sport und gesundes Leben sonst…..die Kunstpause des Arztes war so vielsagend, dass Gebhard in diesem Augenblick beschloss sein ganzes Leben umzukrempeln.
Schon an nächsten Morgen verzichtete er auf die so lieb gewonnene Pipi-Zigarette, den erste Genussmoment des Tages. Stattdessen ging er Joggen; zwar hatte er keinerlei Sportbekleidung aber  Segelschuhe die er ja immer mitnehmen musste wenn er auf die Yacht seiner Partner eingeladen war, T-Shirt und eine alte Jeans waren fürs erste als Ersatz  genügend. Nach joggen und Duschen trank er stehend in der Küche, die er schon lange nicht mehr betreten hatte denn dies war der Bereich des Personals, einen Kaffee. Da er auf die gewohnte Nachfrühstücks-Zigarette verzichten musste hatte er auch keine Lust zu Frühstücken. Der Abschied von seiner, sich  noch im warmen Bett räkelnden jungen Frau war ungewöhnlich kurz. Sonst legte er sich ja meist noch mal zu ihr…………….denn die Zigarette danach war wohl sicher die beste des Tages!

Mittags gab’s Salat und Wasser und die  Trainingsraumsuche. Ja er suchte in der Nähe des Büros ein Fitness-Studio. Essen gehen ohne die obligate postprandiale Nikotindosis lockte ihn nicht. Bald schon merkte er, dass er die guten Essen und den Wein, sowie die abendlichen Schnäpse nicht vermisste, ihm fehlte nur die Zigarette. Schnell hat er die Pfunde, nein die Kilos purzeln sehen, doch was ihm am meisten zu schaffen machte, war, dass seine Libido im Keller war und blieb. Wie, fragte er sich soll man am Sex Freude haben ohne die postkoitale Zigarette. Und so verkümmerte seine Ehe parallel zu seinem immer schlanker werden. Einen dem Nikotin nicht unähnlichen Zustand erlebte er –sicherlich durch Endorphine ausgelöst—nach etwa vierzig Minuten harten Trainings in Studio oder einer Viertelstunde –nicht etwa joggen—sondern rennen. Dass sich seine junge Frau, trotz seiner wiedergefundenen Schlankheit, aus Frust von ihm ab und mehreren Liebhabern zu wandte störte ihn nicht, denn rauchen wollte er nie wieder und ohne Zigarette waren Essen und Liebesspiel einfach kein Genuss.

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