Gustav war
immer schon ihr Lieblings-Onkel, ja gar
ihr Lieblingserwachsener gewesen. Gustav war aber eigentlich das schwarze Schaf
der Familie, er war der fast zwanzig Jahre ältere Bruder Theresas Mutter. Zwar
war er in seinem Beruf als Antiquar recht erfolgreich aber sein Benehmen
entsprach weder seiner Erziehung noch dem Verhalten seines Schwagers.
Verheiratet war er nicht, er wars auch nie gewesen, nein er sagte zu Resi—wie
man Theresa als Kind nannte—auf die Frage ob er eine Frau habe , nein ich kaufe
doch auch keine Kuh wenn ich nur einen kleinen Schluck Milch für meinen Morgenkaffee
brauche. Und schon runzelten Schwester und Schwager sowie die grossen
Geschwister Theresas die Stirn und räusperten sich unmissverständlich.
Theresa blieb
für Gustav immer Resi, er war der einzige der dies durfte, allen anderen
untersagte Theresa den Gebrauch dieses lächerlichen Kinder-Kosenamens. Theresa
wuchs zu einer androgynen Schönheit heran. Trotz ihres Aussehens war sie immer
wieder mit Männern zu sehen. Sie war sehr beliebt unter den Studenten der
Kunstakademie. Ja sie studierte Kunstgeschichte und ihre Lieblingsepoche war
das ausgehende neunzehnte Jahrhundert und
die Moderne. Mit den weiblichen Kommilitonen hatte sie eher etwas Mühe—sie fand
die meisten zickig und fad—. Trotzdem dichteten ihr viele—wohl wegen ihrer
Androgynität—eine gewisse Tendenz an.
Der inzwischen
etwas gealterte Gustav war an diesem Weihnachtsfest wie beinahe jedes Jahr, für mehrere Tage zu Besuch
gekommen.
Dass das Alter
ihn nicht besänftigt hatte wussten alle schon, aber an diesem Heiligabend ging
er noch ein kleines Bisschen weiter. Ja er erzählte, wie er kürzlich in Paris eines Abends nach reichhaltigem Essen
mit Geschäftspartnern noch einige Schritte aus dem Hotel gegangen war um sich
die Beine zu vertreten und das viele Essen und Trinken sich setzen zu lassen. Wie
meist war er in einem einfachen Hotel dem „Le Jardin de Neuilly“ abgestiegen. In
diesem guten 3-Stern-Haus das er aus verschiedenen Gründen ausgewählt hatte,
fühlte er sich wohl und FREI, denn er konnte kommen und gehen mit wem er wollte
denn der Portier war vor Diskretion sozusagen blind. Dass das Hotel nahe am
berühmten Bois de Boulogne lag war ein weiterer Vorteil, fand man dort doch die
hübschesten elegantesten Mädchen, nicht solche vulgäre Billignutten wie an der
Rue St. Denis, sagte er lachend. Ja und dann erzählte er, immer noch lachend, was
ihm dort passiert war. Bei seinem Verdauungsspaziergang traf er, sicher weil er
nicht mehr ganz nüchtern und auch ortsunkundig war, eine bezaubernde Schönheit von leicht südländischem Typ. Gustav sagte,
dass man sich ohne zu feilschen über das „kleine Geschenk“ welches am Ende
erwartet wurde sofort einig geworden war. Im Zimmer angekommen öffnete Gustav
erst die Minibar, dann eine Flasche Bollinger Brut. Dann, ja dann öffnete die
Schöne ganz ganz langsam ihren, dem vorweihnachtlichen Klima entsprechenden,
Pelzmantel. Der enthüllte Busen war umwerfend, aber richtig umgeworfen hat ihn—so
stammelte der vor Lachen kaum noch zu verstehende Gustav— der erigierte
grosse Penis dieses Travestiten.
Das einzige was
das eisige Schweigen brach war das ungehemmte Lachen in das Theresa ausbrach. Nur
Theresa verstand die Situationskomik und verteidigte den Onkel ihrer ganzen Familie
gegenüber.
Das spätere
Nachspiel das diese Geschichte hatte inszenierte Theresa einige Zeit später
selbst mehrere Male. Theresa wusste, dass sie problemlos als Mann durchgehen konnte,
ungeschminkt in Anzug und Krawatte fiel sie mit ihren kleinen Spiegeleier-gleichen
Brüstchen und ihren kurzgeschnittenen Haaren nicht auf und ihre regelmässigen
Gesichtszüge entsprachen ja dem was sich die Franzosen unter Jeanne d’Arc so
vorstellten. Theo, wie sie sich nun manchmal nannte ging in einschlägige Lokale
und auch ins Boi de Boulogne—an den Ort
wo die „Travelos“ ihr Revier hatten— und machte Männer an. Vielen gefiel dieser
leicht androgyne junge Mann, und Theo wurde häufig in irgendein Hotel oder eine
Wohnung „für einen letzten Drink“ eingeladen. Immer freute sich Theresa und
dachte mit Zärtlichkeit an ihren nun verstorbenen Onkel Gustav, wenn sie das—je
nach Freier, dumme wütende gierige hilflose—Gesicht sah als sie vom so
begehrten Theo zu Theresa wechselte.
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