Er war alt und etwas lebensmüde, unser Held Achim. Er hatte in seiner
Deutschen Heimat ein Leben, so als ein Zwischending aus Geschäftsmann und
Privatgelehrtem, geführt. In seinen jungen Jahren hatte er lange an
verschiedenen Universitäten studiert, alte Sprachen, Philosophie, Mathematik,
Kunstgeschichte, Geschichte aber auch Betriebswirtschaft, bis sein sich immer
mehr ärgernder Herr Papa ihm sozusagen das Messer auf die Brust setzte und ihm
drohte, sollte er nicht innert Jahresfrist einen Abschluss mit Diplom machen,
ihn auf die Strasse zu setzen. Dies aber wollte Achim nicht, denn Schmarotzen
war diesem ewigen Studius quasi zur zweiten Natur geworden. Mit Ach und Krach
ergatterte er ein Diplom als Betriebswirt und trat—zwar nicht in die
Fussstapfen des Herrn Papas—aber immerhin in die Firma ein.
Die Firma lief so gut, dass man sie schon fast als einen Selbstläufer
bezeichnen konnte. Die Angestellten die schon seit vielen Jahren da waren
kümmerten sich um alles. Als der Herr Papa, nach seinem Schlaganfall nur noch
undeutlich lallend und immobil im Bett lag ernannte Achim den Prokuristen zum
Geschäftsführer und zog sich mit seinen Steckenpferden zurück. Lange Jahre
dauerte die Krankheit des Vaters, er lag da und schien nicht viel von der
Umwelt mitzukriegen. Achims Mutter war ja bei seiner Geburt verstorben;
und so lebte Achim sorgenlos, ohne Rücksicht nehmen zu müssen, schon
beinahe autistisch seinen Steckenpferden
nachgehend, in dem immer mehr zerfallenden Haus.
Viele Jahre später, Achim war inzwischen ein alter Mann und die Firma—um
die er sich nie gekümmert hatte—war durch schlechte, unkontrollierte Manager so
heruntergewirtschaftet worden, dass eine Pleite kaum noch zu vermeiden war.
Als Achim bei einem Arztbesuch eine fatale Diagnose bekam, eine Krebsart
die dem Betroffenen nicht viel Zeit lässt, entschloss er sich in seinem
heissgeliebten Venedig zu streben. Ja sein grösster Wunsch war es, dass
er—obwohl bekennender Atheist—auf dem Friedhof auf San Michele beerdigt und mit
grossem Pomp zu Grabe getragen werde. Noch
bevor es mit der ererbten Firma zu Ende ging, verkaufte er sein inzwischen sehr
marodes Elternhaus mit allem seit Generationen gesammelten Ramsch und zog mit
dem Erlös nach Venedig ins Hotel Gritti. Seine Rechnung ging leider nicht auf,
denn die Prognose der Ärzte —sechs bis acht Monate—war zu pessimistisch gewesen
und das übriggebliebene Geld nun doch viel zu knapp fürs Gritti. Er lebte dann
noch einige Monate auf dem Festland in Mestre, in einer sehr sehr einfachen
Pension, von wo aus er wenigstens die Lagune erahnen und von San Michele
träumen konnte.
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