Donnerstag, 18. Juli 2019

Aus bizarrer Nächstenliebe


Gebhard war als Kind sehr auffällig. Schon die Kindergärtnerin hatte Mühe mit ihm. Und dann in der Schule war sein Lehrer hoffnungslos überfordert.
Nicht etwa dass Gebhard dumm oder etwa faul war, nein er war einfach gelangweilt. Damals wusste man noch kaum was von Hochbegabung und das gelangweilte Träumen wurde als Frechheit oder Dummheit wahrgenommen. Nach den Sommerferien wurde alles anders. Der alte Lehrer war im Urlaub am Meer gewesen und beim Baden verschwunden; erst  viele Wochen später wurde seine Leiche sehr weit entfernt vom Ferienort an Land gespült.
Für Gebhard war dies ein Glücksfall, denn der Ersatzlehrer war frisch vom Seminar gekommen. Sein Lehrerexamen und Diplom mussten warten denn es war eine Notlösung, ja der Rektor des Seminars hatte diesen aufgeweckten Junglehrer als Vertretung für den—damals noch Verschollenen—freigestellt.
Dieser Lehrer sah bald, dass Gebhard alle Aufgaben schnell erledigte und sich dann langweilte. Also gab er ihm zu tun während sich die Mitschüler mit ihren Aufgaben abmühten. Dadurch lernte er wie man Lernt was er bisher nicht brauchte da er alles sofort begriff. 
Irgendwie merkte der junge Lehrer dass Gebhard überdurchschnittlich begabt war und sprach mit den Eltern um ihn auf eine besser geeignete Schule zu bringen.
Reifeprüfung, Medizinstudium bewältigte er spielend aber dann in der Famulatur stellte er fest dass er kein Interesse an Menschen hatte, die Medizin als Beruf war ihm ein Gräuel! Er entschied sich zu einem ganz neuen Berufsziel. Immer schon war er vom Fliegen begeistert gewesen also wurde er Pilot. 
Als Pilot auf Linienflügen muss man nur wenig Kontakt zu Menschen pflegen. etwa den Satz 
„Here is your captain speaking……….” sonst kaum was.
Viele Jahre lang war er sehr glücklich in seinem Job und konnte sich vor Kollegen und Bordpersonal gut abkapseln. Ob er irgendwie autistische Züge hatte sei dahingestellt, aber seine Zurückgezogenheit gab den Anderen doch ein Rätsel auf.
Eines Nachts hatte er plötzlich heftige Kopfschmerzen, dies wiederholte sich jede Nacht und da er von seinem abgebrochenen Medizinstudium noch viel wusste entschied er , ohne irgendjemanden vom Flugmedizinischen Dienst  zu informieren, sich in der Mayo-Klinik in Rochester untersuchen zu lassen.
Seine Befürchtung wurde bestätigt. Glioblastom! ein IDH mutiertes Glioblastom. Gebhard hatte in der Klinik sowohl seinen Namen als auch den Beruf verheimlicht.
Er entschied sich seine Job aufzugeben und sich auf sein in etwa 2 bis 3 Jahren zu erwartendes Ableben vorzubereiten. Er liess sich in einem grossen Onkologischen Zentrum behandeln und nahm an allen Begleitprogrammen teil wo Tumorpatienten sich gegenseitig Beistand leisten sollten und es auch wirklich taten.Keiner wusste über sein Medizinstudium bescheid, er war ein Patient wie viele andere. Als bestausgewiesener Linienpilot war es ein Leichtes einen Teilzeitjob bei einem Privaten Business-Flug-Anbieter zu finden. In seiner onkologischen Hilfsgruppe lernte er viele Patienten mit dem Wunsch ihr Sterben zu optimieren, kennen.
Und so kam eines Tages in den Abendnachrichten die Meldung: ein Business-Jet mit vierzehn Passagieren ist aus noch nicht geklärten Gründen gegen die Eigernordwand gekracht, es gibt keine Überlebenden.


 


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