Nur
weil die Hebamme, die Tiziano zur Welt gebracht hatte betrunken war und bei
seiner Mutter da unten—wie man damals verschämt diskret sagte—viel Schaden
angerichtet hatte, sodass man ihr im
Spital die Gebärmutter rausschneiden mussten, ist Tiziano als Einzelkind
aufgewachsen. Seine Eltern, Dante und Elvira verliessen ihre Norditalienische
Heimat um ihr Glück in dieser Schweizer Kleinstadt im Jura zu suchen. Sie
wussten ja nun, dass sie nur ein einziges Kind haben würden und dies war damals
sehr ungewohnt, kamen doch beide aus Grossfamilien. An seinen Vater konnte sich
Tiziano nur sehr schwach erinnern, als er knapp vier Jahre alt war, wurde Dante
von der Polizei abgeholt. Was man ihm vorgeworfen hatte erfuhr Tiziano nie, Elvira
wollte nicht über „diese Sache“ reden. Aber dass Dante sich im Gefängnis
erhängt hatte war für die Mutter eine bleibende Schande und für Tiziano ein
lebenslanges Fragezeichen.
In der
Schule kam er mehr schlecht als recht mit. Lesen und Rechnen konnte er wie
viele seiner Mitschüler. Es genügte um die grossen Titel der Zeitungen zu lesen
und, wenn die Worte nicht zu schwierig waren, auch zu verstehen. Eine richtige
Lehre hat Tiziano nie gemacht. Aber er arbeitete als Hilfsarbeiter mal beim
Schlosser mal beim Schreiner, mal in irgendeiner Werkstatt mal auf Baustellen.
In den frühen Fünfzigerjahren hatte er genug erspart um sich ein kleines
Atelier einzurichten. Dass die immer sparsame Mutter Elvira, die ihr Geld mit
Waschen und Putzen verdiente, einen Grossteil mitfinanziert hatte war in dieser
Zeit selbstverständlich, genauso selbstverständlich war, dass Tiziano, trotz
eines sehr „leichten“ Lebenswandels, es vermied heiraten zu müssen um sich
seiner Mutter zu widmen.
Sein Atelier nannte
er REPARATIONS DE TOUT GENRE, BOIS, METAL, PIERRE ETC. (Reparaturen jeder Art Holz,
Metall, Stein etc.)
Mit
seinen 30 Jahren hatte er so viele Erfahrungen gesammelt, dass er fast alles
reparieren konnte. Rief man ihn für eine Arbeit, sah er sich‘s an und sagte
sofort, da müssen sie den Schreiner, Maurer Spengler etc. kommen lassen, wenn
er auch nur einen kleinen Zweifel hatte es selbst machen zu können ;dies war
aber eher selten. Sein Geschäft florierte. Abends fing er an mit elektrischen
Geräten—die ihm Kunden gaben oder die er auf der Müllhalde fand—zu pröbeln.
Bald schon schrieb er auf sein Ladenschild auch noch ELECTRICITE.
Tiziano
ging gerne und oft ins Kino, alleine ins Kino, denn er wollte nie eine seiner
vielen Gelegenheits-Geliebten kompromittieren—und vor allem seine Freiheit und
Ruhe geniessen.
Seine
Mutter Elvira hatte ihn natürlich katholisch erzogen, sie selbst war oft in der
Kirche und kümmerte sich um noch ärmere Alte.
Tiziano ging sonntags—seiner Mutter zu Liebe—mit ihr zur grossen Messe,
obwohl sein Glaube mehr als wacklig war. Elvira beichtete jedes Mal, obwohl sie
sicher nichts Böses zu berichten hatte. Eines schönen Herbsttages hatte
Tiziano—als er auf die Mutter wartete—einen Geistesblitz. Aus den
Spionagefilmen wusste er was Wanzen waren und wie man sie versteckte. Bei der
nächsten Reparatur zu der ihn der Pfarrer gerufen hatte baute Tiziano Wanzen in
den Beichtstuhl. Was er dann hörte war nicht nur Interessant sondern auch sehr
nützlich! Dass viele Frauen—er erkannte fast alle an ihrer Stimme—dem Pfarrer intimste
Geheimnisse verrieten und auf die insistierenden Fragen des
Geistlichen-Lüstlings auch noch bis ins kleinste Detail gingen um eine
Absolution zu ergattern, liess Tiziano erst Mal sprachlos. Dann, als der Herr
Pfarrer einige der jüngeren hübscheren auch noch zu einem Gespräch ins
Pfarrhaus lockte, war Tizianos Entschluss gefasst! er wollte teilhaben an des
Pfarrers Harem.
Bei
der nächsten Gelegenheit verwanzte er das Schlaf und Arbeitszimmer des
„Heiligen-Mannes“
Tiziano
kannten fast alle in der Stadt und viele nahmen seine Dienste sei’s im Haus
oder im Garten sehr oft und gerne in Anspruch.
Genötigt oder gar erpresst hat
Tiziano nie, aber seine erlauschten Kenntnisse der dunklen Seite der Frauen die
er sehr subtil erwähnte öffneten ihm manches Mieder und viele Betten. Und so
bereute Tiziano noch weniger dem heiligen Stand der Ehe entsagt oder widerstanden zu haben.
PS:
Die Beichten seiner Mutter wollte er sich—verständlicherweise—nicht anhören.
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