Samstag, 20. Dezember 2014

Der Herrenausstatter

Mittelgross war die Stadt irgendwo in Westeuropa, in der unser Held einen Herren Kleiderladen hatte; er stammte aus einer jüdischen Kleiderhändlerdynastie es gab noch zwei andere Geschäfte, in anderen Mittelgrossen Städten, die von Cousins geführt wurden. Ausser dem Namen verband sie nicht mehr viel, eine Zusammenarbeit gab es nicht, man hatte eher das Gefühl dass ihre Beziehung als „Waffenstillstand „ zu bezeichnen war, ob alte Rechnungen offen waren, oder nicht bereinigter Erbstreit der Grund war bleibt dahingestellt. Unser Held, nennen wir ihn Aaron, war damals so etwa Anfang vierzig. Schon damals hatte er eine eigenartige Körperhaltung, ja er ging leicht gebückt und entwickelte mit der Zeit einen Gibbus  (Buckel), so wie er im medizinischen Wörterbuch beschrieben und illustriert ist. Aaron machte gute Geschäfte er war ja ein gewissenhafter Berater und verkaufte wirklich nur passendes an seine Kunden, zumeist Stammkunden; lieber schickte er einen Kunden weg, als ihm etwas nicht Passendes anzudrehen. Bei guten Bekannten—Freunde, ja die gab’s im Geschäftsleben nicht—machte er gerne Überraschungsrabatte. Meist war er alleine im Laden, das heisst natürlich war seine Mutter immer da, denn sie verwaltete die Kasse, doch sonst war er alleine im Verkauf. Wenn er im Kaffeehaus war und ein Kunde kam rief ihn seine Mutter sofort an und kümmerte sich, bis er kam, um den Kunden. Da Aaron viel und gerne Tennis spielte kam es schon mal vor dass er nicht sofort im Laden erscheinen konnte; dann fand die Mutter immer einen Weg, sollte es sich nicht um  einen Stammkunden handeln, ihm einen unverkäuflichen Ladenhüter anzudrehen. Daraus ergaben sich, wenn der Kunde unzufrieden zurückkam, heftige Diskussionen zwischen Sohn und Mutter, so etwa wie in den Witzen über die „Jüdische Mamme! Ja die Mutter war wirklich ein schwieriger Fall. Aaron hatte immer wieder mal eine Freundin, oft war es eine Tennispartnerin, aber er wohnte immer noch mit der Mutter zusammen in einer alten Wohnung. Zwar war die Wohnung gross genug selbst für eine Familie mit Oma, aber es wäre für keine Frau  zumutbar  gewesen, mit seiner Mutter zusammen zu wohnen. Da seine Mutter ihn schon sehr jung, mit neunzehn Jahren, bekommen hatte und ihr Mann leider sehr jung verstorben war, fühlte sich unser Aaron verpflichtet sich, bis ans Ende, seiner Mutter zu widmen. Auch seine Liebschaften mussten vor der Mutter versteckt werden, darum war er zur Tarnung seiner Abenteuer Mitglied in vielen Vereinen was auch fürs Geschäft gut war. So sagte er seiner Mutter oft, ich esse dann beim Bridge eine Kleinigkeit, oder im Tennisklub, die Mutter sagte, ich koche dir wohl nicht gut genug, dass du so viel unnötiges Geld ausgibst. Die Zeit verging und Aaron sah einer Karikatur seiner selbst immer ähnlicher, die Mutter hingegen sah immer noch aus wie eh und je mit ihrer religiös bedingten Perücke, Aaron hatte, als Reformjude die Kippa für den Alltag abgelegt und in die „Schul“ (Synagoge) ging er nur wenn es unbedingt sein musste; meist zu Kaddisch und den hohen Feiertagen.                                                                                                                                                      Als seine Mutter mit über neunzig Jahren starb wurde er irgendwie komisch, war er doch selbst schon fünfundsiebzig, beim Betreten des Ladens hatte man das Gefühl die alte Dame stünde noch immer hinter der Kasse. Auch Aaron fragte manchmal so ins Leere, nichtwahr Mamma es steht dem Herrn doch richtig gut

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