Dienstag, 28. November 2017

Phantom als Stalkerin

Willibald war als Student mit einer Kommilitonin verlobt gewesen, mehrere Jahre lang dauerte die Verlobung bis, ja bis seine Angebetete eine bessere Partie fand und sogleich mit dem Herrn Professor  in medias res ging. Willibald war am Boden zerstört, denn Gudrun war sein Ein und Alles gewesen. Ihretwegen hatte er ja Chemie studiert obwohl seine Interessen eher dem musischen galten. Als Chemiker hat er nie gearbeitet, nein er ging in einen Wissenschaftlichen Verlag als so was zwischen Lektor und Redaktor. Reich wurde er damit nicht aber es reichte um Bücher, Schallplatten,
Kino, Theater  und Konzertkarten zu erstehen und einen stattlichen Weinkeller anzulegen. Mit den Frauen haperte es, meist dauerten Beziehungen nur kurze Zeit. Willibald wurde trotz seiner jungen Jahre—er war mitte dreissig—recht schrullig. Irgendwann verliess er seine Deutsche Heimat und etablierte sich in der Schweiz, er hatte eine Arbeit bei einer der grossen Pharmafirmen gefunden, wo er ruhig vor sich hin arbeitete und genügend Zeit rausschinden konnte seinen Hobbys zu frönen und für sich-sinnvolleres zu lesen als wissenschaftliche Studien.
Irgendwie suchte er immer mal wieder, oder eher permanent nach einer Partnerin. Obwohl er sehr gesellig war und im Theater, Filmklub und Galerien schnell Bekanntschaften schloss-die Traumfrau war nicht dabei.
Eins seiner Interessen waren die Tiere, er liebte es sonntags Früh in den Zoo zu gehen, wenn noch kaum wer da war. Ihn interessierte vor allem die Verhaltensweise der Tiere. Und eines verregneten Novembersonntags begegnete ihm eine Frau. Sie, Hedwig, war an ein Meeting für irgendetwas esoterisches nach Basel gekommen und profitierte davon, dass der Zoo in der Nähe des Bahnhofs lag  und der Zug erst nachmittags zurück nach Münster fuhr. Aus Begegnung wurde Kennenlernen aus Kennenlernen wurde sich mögen aus sich mögen wurde eine—allen Bekannten und Freunden als überstürzt erscheinenden—Ehe.
Willibald war Freidenker, Hedwig war Mystikerin, Willibald war Realist Hedwig war Träumerin, Willibald war sehr, wirklich sehr sinnlich, Hedwig war allem sexuellen gegenüber total abweisend, sie erduldete anfangs gewisse Kontakte, stellte dann nach der Heirat fest, kein Interesse am „Fleischlichen“ zu haben! es konnte einfach nicht klappen zwischen den beiden. Nicht ganz so schnell wie die Heirat aber doch recht rasch kam die Scheidung. Willibald sagte mit seinem bissigen schwarzen Humor  immer: Irren ist männlich!
Hedwig ging zurück nach ihrem heimatlichen Westfalen, Willibald nahm sein gewohntes Leben in Basel wieder auf.
Und nun begann eine komische Zeit für Willibald, er sah Gespenster, er der eingefleischte Realist, konnte es kaum glauben was er sah.
Kam er nachts spät nach Kino oder Theater nach Hause sah er irgendwo im Schatten—nie unter einer Laterne—Hedwig wie sie stumm und vorwurfsvoll ins Leere starrte. Manchmal in der Strassenbahn glaubte er im Nebenwagen Hedwigs steife Figur zu erkennen.
An einem Sonntagmorgen im Zoo, er war eben ins Affenhaus gegangen glaubte er durch die grossen Glaswände hindurch Hedwig zu sehen.
Willibald war zu sehr Realist um an Geister und Gespenster zu glauben und zu sehr von seiner geistigen Integrität überzeugt um an seinen Wahrnehmungen zu zweifeln, intrigierend fand er diese sich wiederholenden Begegnungen allemal.

Die Auflösung kam während er auf einen Film im Ciné-Club wartete. Im Kinofoyer traf er einen seiner Bekannten der ihm sagte: weisst du dass deine Ex-Frau die Hedwig sich bei mir im Geschäft—er war der Musikalienhändler bei dem Willibald seine Schallplatten kaufte—als Verkaufskraft beworben hat? Nun war alles klar, Gespenster gab’s immer noch nicht aber einen wandelnden Albtraum wohl doch.

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