Mittwoch, 25. November 2015

Papis Liebling

eine wahre oder doch fast wahre Geschichte
Sie, Cécile, war das Ein und Alles für ihren Vater. Er, Josef, der Vater war seit seiner frühsten Jugend Invalide. Als er zum x-ten Male in diese Reha-Klinik kam, wurde er von einer sehr netten Krankenschwester—die Bezeichnung Pflegefachfrau gab’s noch nicht—sehr liebevoll gepflegt, wirklich sehr sehr liebevoll. Damals war Josef schon über vierzig, er hatte immer bei seiner Familie gelebt, mit seinen nun alten Eltern und mehreren Onkeln und Tanten. Und nun wurde, durch diese unerwünschte Schwangerschaft alles auf den Kopf gestellt. Josef war—wohl durch seine Behinderung bedingt—nie dazu angehalten worden einem Broterwerb nachzugehen, obwohl die staatliche Invalidenrente zu dieser Zeit noch recht klein war. Die Onkels und mehrere Cousins führten das vom Grossvater gegründete Baugeschäft welches das grösste Bauunternehmen in der ganzen Region war. Josef heiratete, auf Befehl der Eltern und vor allem der Tante, die Krankenschwester Louise, die mit ihren nicht mal ganz zweiundzwanzig Jahren und ihrem turbulenten Wesen so gar nicht in diese Familie—eigentlich eher ein Clan—passte. Mit den Jahren kamen noch vier andere Töchter dazu, aber Cécile war und blieb die einzige um die sich Josef wirklich kümmerte. Mit etwa fünfunddreissig starb die Mutter, nach einer eigentlich harmlosen Operation, an einer weder erkannten noch behandelten Thrombose. Die (un)verantwortlichen Ärzte wurden nie zur Rechenschaft gezogen.  Josefs Eltern waren in der Zwischenzeit gestorben und die Onkels waren aus dem Elternhaus ausgezogen. Nur noch die gehbehinderte Tante war da geblieben. Die Tante führte ein so strenges Regime, ganz im Unterschied zu Josefs „laissez-faire“, dass es schon bald mit Cécile—die mit ihren inzwischen knapp vierzehn Jahren, voll in der Pubertät war—zum Konflikt kam.  Cécile kam nach vielem Hin und Her in ein, von bösartigen Nonnen geführtes, Erziehungsheim. Cécile war eigentlich nicht sehr lange, aber für ihren Geschmack definitiv zu lange, in diesem gefängnisartigen Heim, als ihr Vater ganz plötzlich an einer Lungenembolie verstarb. Zur Beerdigung kam sie nach Hause, alle Verwandten und Bekannten waren—wie damals in Kleinstädten üblich—in schwarzen Trauerkleiden.  Sie war sehr traurig, dass ihr geliebter Papa gestorben war, aber er hatte  ja sein Einverständnis gegeben sie ins Heim zu schicken. Von ihrer Tante, die nun das Sagen hatte konnte sie nichts Gutes erwarten, darum verschwand sie, während dem Trauermahl, spurlos. Jahrelang tauchte sie ab. Man sah sie in den Drogenszenen der ganzen Gegend. Sie hatte immer mal wieder Freunde wo sie wohnen und (bei)schlafen konnte, bis sie sich Hals über Kopf in einen Musiker verknallte. Mario war Italiener, er hatte eine Band und zog von Nachtlokal zu Tanzbars in der Schweiz, Deutschland Skandinavien und dann im Sommer in Tanzlokale an der Adria. Zuhause in Bari hatte er eine Frau und zwei Kinder um die er sich nur sehr sporadisch kümmerte. Damals war es in Italien nicht möglich sich scheiden zu lassen und vielen Männern war’s recht so denn damit war das drängeln der neuen Lebenspartnerin aus der Welt geschafft. Mario war ein sehr dominanter Mann, er bestimmte, dass Cécile mit ihm mitkommen solle und verbat ihr ausser Alkohol und Tabak alle Drogen; dadurch rettete er sicherlich ihr Leben. Mario war lieb zu ihr, wie ihr Vater Josef es gewesen war, aber er hatte eine starke Persönlichkeit, nicht wie Josef, der  ein Schwächling gewesen war. Disziplin und Gehorsam lernte sie erst jetzt bei Mario. Dass Mario später, als seine Band, der Discos wegen, keine Arbeit mehr fand, sie arbeiten liess und sich Jahrelang durchschmarotzte, war nur möglich, weil ihm Cécile völlig hörig war. Ja sie hatte sogar, auf Marios Drängen hin, zweimal eine Schwangerschaft abgebrochen, weil sie ja diejenige war, die das Geld nach Hause brachte und für ein Kind nicht der richtige Zeitpunkt war. Sie arbeitete als Serviererin in einer Konditorei und ging abends noch  Büros putzen bevor sie als Bardame bis spät nachts arbeitete. Mario tat wenig bis nichts, bis ihn Cécile eines schönen Tages vor die Tür setzte. Nun erst, als sie einen neuen Job im Verkauf gefunden hatte, kehrte sie in ihre Heimatstadt zurück und kümmerte sich um die nun alt gewordene Tante und ihre vier Schwestern.


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