eine wahre
oder doch fast wahre Geschichte
Sie, Cécile, war das Ein und Alles für
ihren Vater. Er, Josef, der Vater war seit seiner frühsten Jugend Invalide. Als
er zum x-ten Male in diese Reha-Klinik kam, wurde er von einer sehr netten
Krankenschwester—die Bezeichnung Pflegefachfrau gab’s noch nicht—sehr liebevoll
gepflegt, wirklich sehr sehr liebevoll. Damals war Josef schon über vierzig, er
hatte immer bei seiner Familie gelebt, mit seinen nun alten Eltern und mehreren
Onkeln und Tanten. Und nun wurde, durch diese unerwünschte Schwangerschaft
alles auf den Kopf gestellt. Josef war—wohl durch seine Behinderung bedingt—nie
dazu angehalten worden einem Broterwerb nachzugehen, obwohl die staatliche
Invalidenrente zu dieser Zeit noch recht klein war. Die Onkels und mehrere
Cousins führten das vom Grossvater gegründete Baugeschäft welches das grösste
Bauunternehmen in der ganzen Region war. Josef heiratete, auf Befehl der Eltern
und vor allem der Tante, die Krankenschwester Louise, die mit ihren nicht mal
ganz zweiundzwanzig Jahren und ihrem turbulenten Wesen so gar nicht in diese
Familie—eigentlich eher ein Clan—passte. Mit den Jahren kamen noch vier andere
Töchter dazu, aber Cécile war und blieb die einzige um die sich Josef wirklich
kümmerte. Mit etwa fünfunddreissig starb die Mutter, nach einer eigentlich
harmlosen Operation, an einer weder erkannten noch behandelten Thrombose. Die
(un)verantwortlichen Ärzte wurden nie zur Rechenschaft gezogen. Josefs Eltern waren in der Zwischenzeit
gestorben und die Onkels waren aus dem Elternhaus ausgezogen. Nur noch die
gehbehinderte Tante war da geblieben. Die Tante führte ein so strenges Regime,
ganz im Unterschied zu Josefs „laissez-faire“, dass es schon bald mit Cécile—die
mit ihren inzwischen knapp vierzehn Jahren, voll in der Pubertät war—zum
Konflikt kam. Cécile kam nach vielem Hin
und Her in ein, von bösartigen Nonnen geführtes, Erziehungsheim. Cécile war
eigentlich nicht sehr lange, aber für ihren Geschmack definitiv zu lange, in
diesem gefängnisartigen Heim, als ihr Vater ganz plötzlich an einer
Lungenembolie verstarb. Zur Beerdigung kam sie nach Hause, alle Verwandten und
Bekannten waren—wie damals in Kleinstädten üblich—in schwarzen Trauerkleiden. Sie war sehr traurig, dass ihr geliebter Papa
gestorben war, aber er hatte ja sein
Einverständnis gegeben sie ins Heim zu schicken. Von ihrer Tante, die nun das
Sagen hatte konnte sie nichts Gutes erwarten, darum verschwand sie, während dem
Trauermahl, spurlos. Jahrelang tauchte sie ab. Man sah sie in den Drogenszenen
der ganzen Gegend. Sie hatte immer mal wieder Freunde wo sie wohnen und
(bei)schlafen konnte, bis sie sich Hals über Kopf in einen Musiker verknallte. Mario
war Italiener, er hatte eine Band und zog von Nachtlokal zu Tanzbars in der
Schweiz, Deutschland Skandinavien und dann im Sommer in Tanzlokale an der
Adria. Zuhause in Bari hatte er eine Frau und zwei Kinder um die er sich nur
sehr sporadisch kümmerte. Damals war es in Italien nicht möglich sich scheiden
zu lassen und vielen Männern war’s recht so denn damit war das drängeln der
neuen Lebenspartnerin aus der Welt geschafft. Mario war ein sehr dominanter
Mann, er bestimmte, dass Cécile mit ihm mitkommen solle und verbat ihr ausser
Alkohol und Tabak alle Drogen; dadurch rettete er sicherlich ihr Leben. Mario
war lieb zu ihr, wie ihr Vater Josef es gewesen war, aber er hatte eine starke
Persönlichkeit, nicht wie Josef, der ein
Schwächling gewesen war. Disziplin und Gehorsam lernte sie erst jetzt bei
Mario. Dass Mario später, als seine Band, der Discos wegen, keine Arbeit mehr
fand, sie arbeiten liess und sich Jahrelang durchschmarotzte, war nur möglich,
weil ihm Cécile völlig hörig war. Ja sie hatte sogar, auf Marios Drängen hin, zweimal eine Schwangerschaft abgebrochen,
weil sie ja diejenige war, die das Geld nach Hause brachte und für ein Kind
nicht der richtige Zeitpunkt war. Sie arbeitete als Serviererin in einer
Konditorei und ging abends noch Büros
putzen bevor sie als Bardame bis spät nachts arbeitete. Mario tat wenig bis
nichts, bis ihn Cécile eines schönen Tages vor die Tür setzte. Nun erst, als
sie einen neuen Job im Verkauf gefunden hatte, kehrte sie in ihre Heimatstadt
zurück und kümmerte sich um die nun alt gewordene Tante und ihre vier Schwestern.
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