Montag, 12. Dezember 2016

Abgewählt

Er war schon mehrmals Minister gewesen, in mehreren verschiedenen Regierungen und unter mehreren Premierministern bevor ihn –nach einer erneuten Regierungskriese—der alte Staatspräsident ins Präsidialsamt einlud und ihm auftrug, mit der Bildung einer neuen Regierung zu beginnen. Endlich war es so weit, hatte er doch in all den Jahren viele Kröten schlucken  und viele Male seine Meinung ändern müssen. Im französischen sagt man dazu sehr bezeichnend „retourner sa veste „ sein Sacco umdrehen! Nun hatte er es geschafft selbst Regierungschef zu sein und somit endlich die anderen zu Marionetten zu machen.
Schon fast drei Jahre dauerte es nun schon, dass er mit seiner Frau, die das Rampenlicht mehr noch als die Luft zum Atmen brauchte, bei jeder Premiere in Theater, Konzert und Oper erschien. Er konnte—als Regierungschef—einfach an der Eintrittskontrolle vorbei zur Präsidial-Loge gehen und sich an allen Ehrenbezeugungen, die ihm und seiner Frau entgegengebracht wurden, ergötzen.
Und dann hatte er eine Volksbefragung über eine Verfassungsänderung—die ihm mehr Befugnisse geben und seine Macht-Position als Regierungschef sichern sollte,  anberaumt. Siegessicher wartete er auf den Ausgang der Abstimmung, denn er wusste genau, je mehr Jastimmen desto sicherer wird sein  Premier-Minister-Posten!
 Dann kam der Sprecher der Wahlkommission und sagte fast flüsternd fünfundsiebzig Prozent Gegenstimmen. Jetzt erst sah unser desavouierter Premier ein, dass er diese Volksbefragung mindestens implizit an sein politisches Überleben gekoppelt hatte.
Als er am nächsten Abend, mit seiner Frau zusammen zur Premiere ins Opernhaus ging, wurde ihm Wagners Götterdämmerung  nicht einmal zum Schwanengesang —denn er wurde nicht mehr devot begrüsst sondern um seine Eintrittskarte gebeten, die er natürlich nicht vorweisen konnte. Mit seiner vor Wut schäumenden Ehefrau verliess er fluchtartig das Theater-Foyer nur um der Masse der Fotoreporter in die Arme zu laufen.




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