Montag, 19. Dezember 2016

Weihnachtsessen

Wie alle Jahre wieder waren Monika und Andreas in ihrem Quartiers-Laden und bedienten die Kunden an diesem Heiligabend. Allerdings wurden es jedes Jahr immer weniger Kunden, denn die alten Leute starben weg und die Neuzugezogenen kamen nur selten—wenn sie in Supermarkt etwas zu kaufen vergessen hatten—ins Quartiers-Lädeli. Ja eigentlich lohnte es sich schon längst nicht mehr den Laden am Leben zu erhalten, aber mehrere Alte wären ohne die nachbarliche Einkaufsmöglichkeit aufgeschmissen und wohl schon längst im Altersheim. Auch Andreas und Monika waren mit ihren vier und siebenundsiebzig nicht mehr die jüngsten. Was Andreas am meisten Mühe bereitete, war das Treppensteigen wenn er bei seinen gehbehinderten Alten Hauslieferungen machte. Sicher wurden so oft wie möglich Enkel gebeten einkaufen zu gehen, aber so vor den Feiertagen waren Enkel sehr beschäftigt und oft schon im Ski-Gebiet. Traditionell endete der Arbeitstag am Heiligabend damit, dass Monika einen grossen Korb mit unverkauften Esswaren wie Fleisch, Obst ,Gemüse ,Kuchen etc. bereitete um dann nach Hause zu gehen und das Weihnachtsabendessen zu bereiten. Andreas kam immer etwas später, denn die letzten Bestellungen mussten ja noch geliefert werden.
Doch in diesem Jahr war alles ganz anders. Noch um fünf Uhr war der Laden gerammelt voll. Nicht nur die Quartierskunden—die meisten davon kamen viel früher—nein Laufkundschaft wie unsere beiden Krämer sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatten füllte den engen Raum zwischen den Regalen. Was der Grund war blieb den beiden schleierhaft. Aber es  herrschte so etwas wie Torschlusspanik, es wurde zusammengerafft was noch da war. Als endlich der letzte Kunde, besser gesagt die letzte Kundin, eine recht elegante Dame den Laden verlassen und Andreas in seinem klapprigen Renault 4 die bestellten Waren auslieferte, sah Monika, dass eigentlich ausser ein paar Zwiebeln und einer Zitrone nichts frisches mehr da war um in den Korb gelegt zu werden. Auch weder Fleisch noch Kuchen waren übriggeblieben.
Monika legte eine Dose Pasteten Füllung und eine Packung Blätterteig sowie eine Dose Ananas  in den viel zu grossen Korb und machte sich auf den Heimweg. In anderen Jahren assen sie tagelang am Mitgebrachten, diesmal war es aber eher knapp.
Monika schob die, aus dem Teig geformte Pastete in den Ofen und setzte sich kurz in den Sessel. Geweckt wurde Monika vom nach Hause gekommenen Andreas, der sich erst mal der verkohlte Pastete und dann der tief schlafende Monika annahm.
Eine gewärmte Dose Ravioli passte recht gut zu der –schon vor Tagen bereitgestellten— Flasche Rotwein.
Am nächsten Morgen entschieden die beiden das Lädeli-sterben aktiv zu fördern.





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