Samstag, 5. August 2017

Aufopfernde Blindenhilfe

Sie hiess Pamela, genannt wurde sie meist Pamela das Busenwunder. Woher ihr Zuname kam war vielen Männern aber sehr wenigen Frauen klar. Ja die Männer, die in den späten Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts vor den Angeboten der  neu gegründeten Sex-Kinos, damals noch untertreibend Erotik-Kino genannt, nicht verzichten konnten—lieber verzichteten sie auf den abendlichen Apéro um in dieser Zeit ins Kino zu schleichen—hatten das Busenwunder Pamela schon öfters gesehen. Viele Jahre lang beherrschte sie die Breit-Leinwand. Ihr Regisseur, Lover und auch bald schon Ehemann Silvano wusste Pamela immer ins rechte Licht zu rücken. Die Jahre vergingen, neue Darstellerinnen kamen ins Geschäft und die Schwerkraft tat das Übrige; Po und Wunderbusen taten, was einst Newtons Apfel tat, sie fielen—zwar nicht wie jener Apfel zu Boden—aber doch erdwärts.
Jahre später, Pamela war inzwischen Oma und pflegte ihren schon seit geraumer Zeit an fortschreitender Altersschschwäche leidenden Gatten. Sie las sie ihm täglich vor.
Pamela hatte zwar nicht mehr das Aussehen eines Porno-Stars aber die rauchige erotikgeladene Stimme war noch immer da. Ihr Gatte Silvano genoss die „Märchenstunden“, die ihn dank seiner Pamela zum Träumen verleiteten, sehr. Und plötzlich hatte Silvano, der noch immer an seine Vergangenheit als Sex-Filmemacher dachte, einen Geistesblitz. Hör mal meine liebe Pamela, sagte er eines Abends nach der Vorlesestunde: „ wir könnten doch, während du mir vorliest, ein Tonbandgerät einschalten und dann die Kassetten anderen Sehbehinderten zur Verfügung stellen.
Und so kam es, dass die Blinden-Bibliothek regelmässig besprochene Kassetten mit Romanen und Geschichten bekam, die, einmal vervielfältigt, die Tage der Sehbehinderten die sich dort bedienten mit sehr besonderen Lesungen beglückte. Pamela las nur Erotisches vor, wobei das Dekameron von Giovanni Boccaccio noch das harmloseste war; härtere Texte passten zu  Pamelas Stimme einfach besser. So mancher Hörer erinnerte sich irgendwie an diese Stimme, dass er sie in seinen jüngeren Jahren in verruchten Kinosälen gehört hatte wurde ihm zwar nicht bewusst, aber die fühlbare Reaktion blieb nie aus.


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