Montag, 27. April 2015

Erzwungene Klausur

Es war in den frühen siebziger-Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, ich war als Ärztebesucher—heute heisst das Pharmareferent— an der, wie es damals noch hiss, Sprachgrenze—der Röstigraben war noch nicht ausgehoben—  tätig. Da ich dieser Arbeit schon seit beinahe zehn Jahren nachging kannte ich meine Kunden recht gut. Bei einem sehr netten Arzt in Freiburg/Fribourg hatte ich einen Termin so gegen zwölf Uhr mittags ;das war die übliche Besuchszeit bei diesem Arzt, denn er wollte zuerst alle Patienten des Vormittags „erledigen“ „liquider“.                                                                          An diesem Tag hatte ich mehrere Termine, alle im Stadtzentrum, darum lies ich mein Auto ein wenig weiter vom Zentrum entfernt in einer  Zone mit unbeschränkter Parkzeit stehen und  nahm meine Tour zu Fuss in Angriff.                                                                                                             Da es plötzlich stark regnete ging ich etwas zu früh in die Praxis meines Kunden, das störte mich keineswegs hatte dieser Arzt doch in dem Wartezimmer viele gute Kunstzeitschriften aufliegen. So vertiefte ich mich in die Gazette de l’Hôtel Drouot in der sowohl alle Kunstversteigerungen wie die erzielten Resultate abgedruckt waren, was meiner Sammlerwut entgegen kam. Plötzlich merkte ich, dass es um mich herum eigenartig still geworden war, es war inzwischen halb eins. Als ich aus dem Wartezimmer trat, merkte ich, dass ich alleine in der Praxis war. Ja  man hatte mich einfach vergessen und eingeschlossen. Ich sah mir den Terminkalender der Praxis an und stellte fest, dass der erste Patient um viertel vor zwei eingeschrieben war. Ich ging in die Küche und nahm mir einen lauwarmen  Kaffee aus der Filter-Kaffeemaschine, kleine Esspressomaschienen gab’s damals noch nicht. Dann setzte ich mich hinter die Empfangstheke  und freute mich auf  das dumme Gesicht  der Praxishilfe. Nicht die Praxishilfe, nein der Arzt kam um halb zwei und als er mich sah erschrak er, es war ihm sehr peinlich,  er und nicht seine Praxishilfe  hatte mich vergessen, denn die  war noch vor zwölf ,von ihm selbst zur Post geschickt worden.

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