Paulette war
als ich sie, als eine Mieterin meiner Schwiegereltern, kennenlernte schätzungsweise
anfang fünfzig. Sie ging an Krücken. Bei einem Autounfall
vor vielen Jahren hatte sie sich einen äusserst komplizierten Beckenbruch
zugezogen, war damals aber bei weitem
die glücklichste der fünf Autoinsassen gewesen, wenn man es als Glück ansehen
kann mit dem Leben davon gekommen zu sein. Sie waren an einem Silvesterabend, mit ihrem Mann, ihrer besten Freundin mit Mann sowie ihrem gemeinsamen
Liebhaber, bei Freunden zur feucht-fröhlichen Silvesterfeier gewesen. Als sie
alle fünf so gegen vier Uhr früh loszogen ,mussten sie erst das total
zugeschneite Auto freischaufeln, dann fuhren sie auf verschneiten Strassen, im
Neuenburger Jura von la Brévine nach La Chaux-de-Fonds, sie kamen aber nur bis
zu einem Baum an Strassenrand, den wir ,beim vorbeifahren,immer den „Baum der Paulette“ nannten. Als
Paulette wieder zu sich kam war es still und sehr kalt, sie war eingeklemmt und
das Auto, das von der Strasse abgekommen war, war noch nicht entdeckt worden. Stunden
später sie war inzwischen mehrmals ohnmächtig geworden, wachte sie in einem
Spitalbett auf. Komischerweise konnte sie sich an alles genau erinnern, den
Streit zwischen den beiden Ehemännern und dem gemeinsamen Liebhaber der beiden
Freundinnen, der wohl im Zusammenspiel
mit Alkohol, Eis und Schnee auch mitschuldig am Unfall war. Nur sie hatte knapp
überlebt, das lang ersehnte Kind, mit dem sie endlich schwanger ging, war mit
der zerstörten Gebärmutter zusammen weg.
Es war in den späten vierziger oder frühen Fünfzigerjahren passiert, die
Chirurgie war noch nicht so entwickelt wie heute, besonders die orthopädische
Chirurgie steckte noch in den Kinderschuhen.
Dass Paulette überhaupt, wenn auch
schwerfällig mit Krücken, wieder laufen konnte grenzt an ein Wunder. Sie hatte
ein fröhliches Naturell, versuchte aus allem immer das Beste zu machen und nahm
das Leben auch so als ein Geschenk an. Mit dem restlichen ererbten Geld kaufte
sie sich in der Nähe der Schulen nicht weit vom Zentrum einen kleinen Tabak und
Zeitungsladen. Sie verkaufte, etwas Schreibwaren Rauch und Süsswaren; einfach alles was Schüler brauchen konnten. Sie war
immer schon sehr Lebens und Liebeslustig gewesen und trotz ihrer Behinderung
machte sie allen Männern, ob Jung oder Alt, schöne Augen .Ja die Gymnasiasten
durften bei ihr auch im Versteck hinter einem Vorhang sogenannte
Herren-Magazine ansehen. Nicht wenige wurden von ihr in die Erwachsenenwelt
eingeführt und viele der Herren blieben auch mal kurz nach Ladenschluss im
immer gut geheizten Hinterzimmer bei Kaffee und…gingen dann erleichtert nach
Hause. So kam Paulette zu dem was ihr lieb war, die Schüler und gewisse Herren
erkälteten sich nicht im rauen Juraklima und die unschuldigen Schülerinnen
konnten meist als Jungfrau auf einen
,dank Paulette, geschickten, erfahrenen Ehemann hoffen.
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