Donnerstag, 5. März 2015

Orient am Neuenburger See

Es war in den siebziger Jahren, damals wohnte ich in Neuchâtel direkt am See. An einem Freitagabend, im Herbst, parkte genau vor meiner Wohnung ein recht grosser beigefarbener Mercedes mit deutschem Kennzeichen. Die Personen stiegen aus. Eine alte Frau ein Mann mittleren Alters eine ebensolche Frau und drei Kinder wohl zwischen vier und neun Jahre alt. Die beiden Frauen waren mit Kopftuch, langen weiten Kleidern und darüber einem Regenmantel bekleidet. Der Mann trug Anzug und Weste, kragenloses weisses Hemd und Turban-ähnliche Kopfbedeckung . Dass diese Familie aus dem Orient stammte war mir sofort klar. Was nun geschah war recht bizarr. Sie umkreisten das Auto, öffneten alle Türen sowie den Kofferraum der von Gepäck überquoll. Dann fingen sie an mit einfachsten Mitteln ein Essen zuzubereiten. Aus Taschen und Körben zauberten sie Esswaren und Thermosflaschen zutage ,gekocht wurde nicht aber getafelt .Die Eltern sassen quer auf den Autositzen ,die Knie auf denen je ein Kind untergebracht war, gegen aussen mit den Füssen auf dem Asphalt. Die Oma und die grössere Tochter sassen alleine aber genauso auf ihren Sitzen. Immer wieder wurden die Plätze getauscht, es war ein endloses Hin und Her zwischen den Erwachsenen und den Kindern. Das Autodach diente als Tisch und es war sehr amüsant die Auslage der Speisen und Dinge zu sehen. Die Oma stand immer mal wieder auf und verteilte das Essen an alle. Es dauerte Stunden .Danach verschwand die Mutter erst mit dem einen dann mit dem zweiten Kind im Gebüsch um Seeufer, die anderen folgten diesem Ritual. Der Vater rauchte genüsslich mehrere Zigaretten und dann, ja dann quetschten sich alle irgendwie ins Auto, die Fenster wurden von innen mit Tüchern verhängt und dann wurde es ruhig im Auto. Es war sehr  spannend, das Aufwachen und das Aufstehritual zu beobachten; wieder die Wanderung  aller Familienmitglieder ins Gebüsch am Seeufer, dann das Frühstück. Keiner verliess die unmittelbare Umgebung des Autos.Den ganzen Vormittag über machten sie eigentlich nichts ausser ums Auto herum zu sein. Mittags und abends war eine genaue Wiederholung des Rituals, es wurde getafelt und sonst passierte einfach nichts auch die Nacht zum Sonntag verlief genauso wie die erste Nacht. Am Sonntag nach dem Frühstück, die Getränke mussten inzwischen sicherlich kalt sein, denn gekocht wurde nicht, packte man alles ein  und das Schauspiel wurde durch die Abfahrt des schönen Mercedes beendet.


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