Sonntag, 1. März 2015

Gleichwertig? Gleichberechtigt? Gleichgestellt?

Sie waren gleichwertige Partner. Er war Anwalt mit einem Doktortitel. Sie war Leiterin der Pflege in einem mittelgrossen Krankenhaus. Sie hatte die klassische Laufbahn mit Lehre, Weiterbildung, Fachkursen etc. gemacht und war nach geduldigem Warten nun in diese leitende Position aufgerückt; einen akademischen Titel hatte sie natürlich immer noch nicht. Er arbeitete in mittlerer Kaderstelle in einer Grossbank, sein Vorgesetzter, der Leiter der Rechtsabteilung war ein Studienkollege, der immer eine Nasenlänge Vorsprung gehabt hatte, sei es bei den Frauen sei es im Beruf. Sein Chef ging damit souverän um, ihn wurmte es aber sehr, besonders als nicht er, sondern ein neu angeworbener Kollege zum Leitenden Berater der Geschäftsleitung und zum Stellvertreter des Leiters  der ganzen Rechtsabteilung, immerhin seines Studienkollegen, wurde. Er wertete das eigentlich beinahe als Verrat. Das kratzte schon sehr an seinem Selbstwertgefühl. Sie erzählte viel über ihre Arbeit und die Entscheidungen die sie treffen musste. Auch über die Machtkämpfe der Ärzte die sie ja eins zu eins mitbekam und die sie meist lächerlich fand, denn es ging nie um fachliches sondern nur ums aufeinanderprallen der Egoismen und um Titelchen; so etwa: warum ist der befördert worden, ich bin doch besser, dienstälter, loyaler etc. also warum nicht ich?                                                                                                                                                                    Er sagte nie etwas über seine Arbeit, beklagte sich aber ständig über Ungerechtigkeit und Benachteiligung. Ja das war auch der –wohl unbewusste—Grund, dass er sich wann immer möglich aufs hohe Ross setzte und immer wieder betonen musste, „schliesslich bin ich Akademiker, du nicht. Ihre Antwort war eines Tages, als sie es einfach weder nochmals hören noch aushalten konnte, und vor allem wollte: „Wäre ich Akademikerin mit Doktortitel, sässe ich schon längst im Direktionssessel“. Das kam aber gar nicht gut an, denn insgeheim wusste er ja dass sie mal wieder Recht hatte! Eigentlich war an diesem Abend geplant gewesen, gemeinsam nach dem nächsten Urlaubsziel zu suchen, daraus wurde komischerweise nichts; zum Glück lief im Fernsehen irgendeinen Blödsinn sodass man nicht miteinander zu reden brauchte.

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