Es war neunzehnhundertzweiundsechzig. Es
passierte in Zürich. In einem Freundeskreis um die Mode-Cafés Odeon und Select
tauchte eines schönen Tages ein noch sehr
junges Ding auf. Man nannte sie mal Lolita mal Zazi nach den beiden
Romanfiguren die zu der Zeit Furore machten.Vor sieben Jahren hatte der
russische Exilautor, Vladimir Nabokov der
in Montreux im Palace Hotel lebte, seinen Skandalroman „Lolita“ in der Olympia
Press in Paris veröffentlicht. Vier Jahre später erschien“ Zazi dans le Metro“
von dem Franzosen Raymond Queneau. Beide Romane wurden später verfilmt, aber die
Buchform war viel besser. Alle in der Gruppe hatten beide Bücher gelesen. Das
junge Ding war wie ein Wirbelwind, sie stammte irgendwo aus der Umgebung der
Stadt. Sie hatte einen undefinierbaren Ost-Schweizer Dialekt und verdrehte den
meisten jungen Männern den Kopf. Sie liebte das Leben und sie war geradezu
süchtig auf Sex. Ja sie zerrte alle ins Bett, wo immer eine Party stattfand war
sie dabei, Suchte sich einen Partner aus und verschwand mit ihm irgendwo in
einem Zimmer, notfalls auch in einer dunkleren Ecke. Sie war nicht etwa
Nymphomanin, nein sie liebte einfach jede Art von Sex, solange der Partner ein
Mann war, mit Frauen oder auch Mädchen hatte sie Mühe, sie sah diese wohl als
Konkurrentinnen. Wenn ein Mann sie anzumachen versuchte merkte er schnell, dass
es so nicht ging, nein sie wählte und duldete keine Widerrede. Es kam, wie es
kommen musste, sie wurde schwanger, verheimlichte es aber so lange wie nur
irgend möglich. Ja sie sagte später als man ihr vorwarf es zu spät gesagt zu
haben, endlich konnte ich ohne Bedenken rumvögeln da ich ja schon schwanger war. Als sie schon
im vierten Monat war kam ihr wahres Wesen zum Vorschein. Da sie unter keinen
Umständen zurück zu ihrer Familie wollte suchte sie sich aus dem Freundeskreis
den Mann aus der ihr am reichsten schien
und der schon arbeitete, die anderen waren ja meist noch Studenten. Ihre Wahl
fiel auf Armin, er war Steward bei der
damals noch existenten Swissair, denn Steward war ja ein Traumjob und sie malte
sich aus, dass sie einmal verheiratet, oft alleine sein würde, was ihrer Lust
nach Lust entgegen kam. Es kam zur Vaterschaftsklage und auch zur Anklage,
wegen Verführung einer Minderjährigen. Bei der Verhandlung waren alle, aber
auch alle, Freunde im Saal. Armin wurde verhört, er stritt aber ab je mit der
Klägerin geschlafen zu haben. Im Verhör outete er sich als Schwul—damals noch
ein Riesenskandal—. Auf Anfrage des Richters hin bestätigten alle im Saal
anwesenden, mit der Klägerin regelmässig Sex gehabt zu haben und dass der
einzige der nie mit ihr intim geworden ist Armin war. Die Klage wurde abgewiesen
und die noch minderjährige Schwangere von der Polizei zu ihren Eltern auf den Bauernhof
gebracht. So verschwand Lolita—Zazi für immer aus dem Freundeskreis, eigentlich
schade für die Libido der Gruppe.
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