In den
Fünfzigerjahren habe ich in West-Berlin einen Tierarzt kennengelernt. Es war
ein Studienfreund meines Cousins. Der hatte erst vor kurzem eine Kleintierpraxis eröffnet. Trotz seines
jungen Alters und seiner jugendlichen Erscheinung war er bald der Lieblingsarzt
vieler Tierbesitzer.
Der
Hauptgrund war sicherlich, dass er alle Tier-Omis und Opis ernst nahm und ganz
geduldig ihren Erzählungen zuhörte. Damals war Berlin etwas ganz besonderes, die
Menschen fühlten sich eingeschlossen. Klar konnte man in die Bundesrepublik
reisen, aber ohne Umstände ging das nicht. Überaltert war die Bevölkerung weil
viele junge Menschen lieber in die Bundesrepublik oder ins Ausland gingen, die
Studierenden die wegen materieller Vorteile gerne in Berlin studierten, verliessen
die Stadt nach Studienabschluss meist wieder Richtung „Grosse weite Welt“ wie
es ja die Werbung der meistgerauchten Zigarette in Berlin –Peter Stuyvesant—suggerierte.
Nun
zurück in die angesagteste Kleintierpraxis. Doktor med. Vet. Daniel—so wollen
wir ihn nennen—stand gross an der Praxis.
Schon
bald merkte dieser einfühlsame Tierarzt, dass die meisten der alten Menschen
eine pathologische Bindung zu ihren Haustieren aufgebaut hatten, nichts war
schlimmer als seinen Kanarienvogel, Wellensittich oder Goldfisch zu verlieren.
Daniel
wohnte zwar in der unmittelbaren Nähe seiner Praxis, die er schon bald in eine
Kleintierklinik verwandelte, verbrachte seine Freizeit aber sehr gerne in
seinem Elternhaus am Wannsee. Dort hatte er als Kind schon im Keller eine
grosse Anzahl von Aquarien in denen er alle Arten von Zierfischen züchtete. Und
im grossen Garten standen zur Strasse hin und zum Vergnügen der vielen kleinen Kinder, die mit Opa und Oma spazierten,
mehrere grosse Volieren mit allerlei Gefieder. Vom Ara über verschiedenfarbige Wellensittiche Kanarien und sonstigen Vögeln bis zu quasselnden Beos war fast
alles was Flügel hatte vertreten—ausser Engel—selbstverständlich.
Eines
Sonntag Morgens, Daniel hatte am Sonnabend bis spät gearbeitet, kam ihm eine
geniale Idee. Statt viel Energie und Zeit in tröstende Gespräche zu investieren
um die Tierbesitzer über einen schmerzlichen Verlust hinweg zu trösten, wäre es
doch besser den geliebten Goldfisch oder Kanarienvogel zu h e i
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Ab nun sagte er den Herrchen und Frauchen von Fischen und Vögeln, dass
ihre kranken Lieblinge einige Zeit zur
Beobachtung oder Therapie in der Klinik bleiben mussten. Auch informierte er—vor
allem bei Vögeln—über eine mögliche Charakter oder Wesens-Änderung durch die
Behandlung.
Abends
fuhr er mit dem kranken—meist schon toten—Fisch oder Vogel ins Elternhaus und
suchte nach möglichst ähnlichem Ersatz.
Die
strahlenden Gesichter von Frauchen und Herrchen entschädigten ihn für die Mühe
und der zu zahlende Preis war weit weit höher als das was man in einer
Tierhandlung für ein Ersatztier hinblättern hätte müssen.
Alle
waren glücklich, der Betrüger und die Betrogenen.
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