Sie hatte sich auf ihn gestürzt wie die Wespe auf das Marmeladebrot.
Sie hiess Marianne, Krankenschwester in dieser Psychiatrischen Anstalt, er hiess
Thorwald war Anfang fünfzig und seit kurzem in diese Anstalt gekommen, weit weg
von Frau und Kindern, denn er hielt die Familie mit ihren regelmässigen
Psychodramen schon lange nicht mehr aus. Als Psychiater konnte er zwar mit
„Spinnern“ umgehen aber im privaten Umfeld ist sowas eben ganz anders. Nun
hatte er sich endlich dazu durchgerungen im benachbarten Ausland, der Schweiz,
zu arbeiten. Dies hatte vor allem finanzielle Vorteile. Er wurde trotz, oder
gerade wegen, seines Alters gerne als Oberarzt eingestellt, denn man hoffte,
dass er als fleissiger Mitarbeiter der Anstalt lange erhalten bleiben möge; dies hoffte vor
allem der Chefarzt, der war nämlich für strikte Arbeitsteilung: du arbeitest
ich kassiere, ich gebe dir schon auch
etwas ab, aber ich entscheide wie ich das Geld zwischen meinen Mitarbeitern aufteile.
So machte Thorwald viele Stunden lang Konsultationen für den Chef—der ja oft in
Sitzungen und an Kongressen war—. Ach ja,
wie schon gesagt, hatte sich Marianne
auf ihn gestürzt, sie stürzte sich auf alle Ärzte die vom Alter her und auch
sonst irgendwie in Betracht zu ziehen waren, und Thorwald war es definitiv. Er
war schlank, ziemlich gut aussehend, wohl erzogen und dadurch sehr höflich,
nicht so spleenig wie sonst die Psychiater oft sind. Was Marianne noch nicht wissen konnte,
was ihr aber später schmerzlich bewusst wurde, war sein Harmoniebestreben das
schon in Richtung Charakterlosigkeit ging. Ja Marianne war nicht die einzige
die an diesem, von Frau und Kindern getrennt wohnenden –beinahe Junggesellen—grosses
Interesse zeigte. Thorwald war nicht abgeneigt mit allen die ihn umschwärmten
sehr nett zu sein, ja er ging mal mit dieser mal mit jener aus, zu Pizza und
auch schon mal ins Kino oder auf eine kleine Radtour. Ob er einer, mehrerer, oder gar allen dann auch
näher kam und wenn ja wie nah ist nicht bekannt: gemunkelt wird ja immer, aber
wo wird nicht gemunkelt? Mit Marianne war es sicherlich nicht bei Pizza und Wandern
geblieben, da war doch mehr gewesen. Thorwald hätte das –Mehr— auch gerne zur Gewohnheit
gesteigert, doch Marianne zierte sich,
ja sie war manchmal so zickig dass er sich an seine Frau erinnert fühlte, was
eine gewisse Abkühlung zur Folge hatte.
Die beiden galten wohl schon in der ganzen Anstalt als etabliertes Paar.
Trotzdem entschied sich Thorwald für
eine andere Frau, einer Freundin, wohl eher einer guten Bekannten, von Marianne,
die sie ihm,dummerweise, eines Abends in der Pizzeria vorgestellt hatte. Ja Betty hatte
sofort den gut aussehenden Thorwald ins Visier genommen und war nicht so zimperlich
und vor allem nicht so berechnend, sie wollte ihn einfach haben, Punkt,
Schluss. Alle, vor allem Marianne, merkten schnell, dass Thorwald und Betty
zusammen waren. Nun bereute es Marianne bitter, sich geziert zu haben, sie
hatte zu hoch gepokert , um sich so
teuer wie nur irgend möglich zu verkaufen; dieser tolle Fisch den ja alle
gewollt hatten, war ihr in letzter Sekunde aus dem Netz geschlüpft. Sie hatte
gehofft ihn, durch ihr Zögern, dazu zubringen sich endlich scheiden zu lassen
um ihr Lebensziel zu erreichen, einen Arzt zu heiraten. Sie hätte sich
ohrfeigen können. Nun schmiedete sie Pläne; wie könnte sie Thorwald
zurückkriegen? Marianne glaubte dass es für sie von Vorteil sei, wenn sie jedes
Mal wenn Thorwald Nachtdienst hatte auch im Dienst sei. Sie machte sich hübsch,
ihre Schwesterntracht wurde ein wenig enger und durchscheinender. Hemmungslos
flirtete sie, Thorwald blieb aber zuerst, wohl hauptsächlich aus Angst, stoisch. Einem
Abenteuer war er, trotz der intensiven Beziehung mit Betty, nie abgeneigt, aber
er traute Marianne zu, Betty alles zu erzählen nur um ihn wieder zu bekommen.
Jedoch Marianne gab nicht auf. In der Silvesternacht, als sie ihren gemeinsamen
Dienst versahen, kam es zu dem von Marianne geplanten ,durch den wohldosierten
Punsch—den Marianne mit reinem Alkohol aufgepeppt hatte—zu einer stürmischen Kopulation
im Dienstzimmer, bei der sie beide vom
Chefarzt, welcher den Diensthabenden seine Neujahrswünsche, mit einer Flasche
Sekt, überbringen wollte, überrascht wurden. Marianne kannte die Gewohnheit des
Chefs solche späten Besuche zu machen! Der
schlagfertige Chefarzt gratulierte den Beiden indem er hämisch sagte: „ihr seid
ein sehr schönes, gut zusammenpassendes Paar „. Thorwald merkte am nächsten
Morgen, als der Alkohol sich verflüchtigt hatte, dass er mal wieder an eine
Frau geraten war, die ihn genauso wie seine noch Gattin, manipulierte. Eigentlich wollte er psychiatrische Fälle nur
noch beruflich, aber nie mehr privat, betreuen. Dass Betty schon am selben Tag von mehreren
Seiten informiert wurde ist klar, sie verschwand aus Thorwalds Leben, der sich
nun mit zwei „Fällen“ herumschlagen musste.
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