Mittwoch, 1. Juni 2016

Toleranz und Intoleranz

Ich erinnere mich noch recht gut, ich war noch sehr jung, so zwischen zehn und fünfzehn, da kamen mir—ich weiss nicht wie oder woher—Romane in die Hand die in erzprotestantischen Pfarrersfamilien spielten. Schon damals war ich über die geradezu pervers-strenge Erziehungsmethoden schockiert. Die darin beschriebene Allmachtsfigur des strengen Vaters, der den Kindern mit brutalster Prügelstrafe  seine christlichen Werte einzubläuen versuchte und verlangte, dass man ihm dafür—oft mit Handkuss—danke, hat es mir leicht gemacht jeder Art von Glaubensgemeinschaft zu misstrauen. Später, im Geschichtsunterricht als Kreuzzüge und dann die Heilige Inquisition besprochen wurde war’s für mich ein für alle Male vorbei mit Religionen. Viele Jahre  später lernte ich durch meinen Beruf ein Paar kennen, er war ein liebenswürdiger grosser wohlgenährter junger Mann, sie eine zarte, fast zerbrechlich wirkende junge Frau. Sie luden mich eines Abends zum Essen ein. Es wurde grosszügig aufgetischt. Im Gespräch, das sich ums Essen und Geniessen drehte, erfuhr ich, dass die  junge Frau die Tochter eines Professors für Theologie war. Sie erzählte,  im Zusammenhang unseres Tischgesprächs, dass sie sich zum ersten Mal im Leben satt gegessen habe, als ihr Verlobter sie zum Essen eingeladen hatte. Zuhause durfte man sich nie satt essen, nein es wurde immer wenig gekocht und es musste immer etwas in den Schüsseln zurückbleiben, damit der Geist und auch der Körper nicht durch Völlerei auf Abwege geriet. Dies sei Gottes Vorschrift, sagte der unnahbare Vater immer. Calvin, Farel und Zwingli lassen grüssen. Zur selben Zeit las ich einen Roman, war er von Patricia Highsmith? ich bin mir nicht mehr sicher, über die Macht der religiösen Einflussnahme einer Sekte über eine Familie—ins Besondere eines Sohnes—irgendwo im Süden der USA .Auch diese Lektüre hat mich sehr betroffen, vor allem die krasse Intoleranz die in allen Religionsgemeinschaften herrscht ist mir unerträglich. Was auch in unserer Zeit, im Namen irgendeines Gottes—oder eher eines selbsternannten Propheten—passiert ist zwar erschreckend, überraschend ist es leider nicht.


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