Ich erinnere
mich noch recht gut, ich war noch sehr jung, so zwischen zehn und fünfzehn, da
kamen mir—ich weiss nicht wie oder woher—Romane in die Hand die in
erzprotestantischen Pfarrersfamilien spielten. Schon damals war ich über die
geradezu pervers-strenge Erziehungsmethoden schockiert. Die darin beschriebene
Allmachtsfigur des strengen Vaters, der den Kindern mit brutalster
Prügelstrafe seine christlichen Werte
einzubläuen versuchte und verlangte, dass man ihm dafür—oft mit Handkuss—danke,
hat es mir leicht gemacht jeder Art von Glaubensgemeinschaft zu misstrauen. Später,
im Geschichtsunterricht als Kreuzzüge und dann die Heilige Inquisition
besprochen wurde war’s für mich ein für alle Male vorbei mit Religionen. Viele
Jahre später lernte ich durch meinen
Beruf ein Paar kennen, er war ein liebenswürdiger grosser wohlgenährter junger Mann,
sie eine zarte, fast zerbrechlich wirkende junge Frau. Sie luden mich eines Abends
zum Essen ein. Es wurde grosszügig aufgetischt. Im Gespräch, das sich ums Essen
und Geniessen drehte, erfuhr ich, dass die junge Frau die Tochter eines Professors für
Theologie war. Sie erzählte, im
Zusammenhang unseres Tischgesprächs, dass sie sich zum ersten Mal im Leben satt
gegessen habe, als ihr Verlobter sie zum Essen eingeladen hatte. Zuhause durfte
man sich nie satt essen, nein es wurde immer wenig gekocht und es musste immer
etwas in den Schüsseln zurückbleiben, damit der Geist und auch der Körper nicht
durch Völlerei auf Abwege geriet. Dies sei Gottes Vorschrift, sagte der unnahbare
Vater immer. Calvin, Farel und Zwingli lassen grüssen. Zur selben Zeit las ich
einen Roman, war er von Patricia Highsmith? ich bin mir nicht mehr sicher, über
die Macht der religiösen Einflussnahme einer Sekte über eine Familie—ins Besondere
eines Sohnes—irgendwo im Süden der USA .Auch diese Lektüre hat mich sehr
betroffen, vor allem die krasse Intoleranz die in allen Religionsgemeinschaften
herrscht ist mir unerträglich. Was auch in unserer Zeit, im Namen irgendeines
Gottes—oder eher eines selbsternannten Propheten—passiert ist zwar
erschreckend, überraschend ist es leider nicht.
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