Freitag, 5. August 2016

Eine Art von Pygmalion

Kai Uwe von   X   stammte aus sogenannt gutem Hause. Früher hätte  sicher ein Titel seinen Namen geschmückt, aber diese Zeiten sind nun längst vorbei. Schon im Gymnasium hatte er viele Affären, ja er wechselte seine Freundinnen regelmässig, wobei er oft für kurze Zeit zu einer seiner Verflossenen zurückfand. Die meisten dieser jungen Frauen liessen es zu, so begehrt war Kai Uwe eben. Als er zum Studium in die Landeshauptstadt ging wurde sein Frauenverschleiss noch grösser. Dann wurde er Juniorpartner in einem Verlag für schöngeistige Literatur. Sein Lebenswandel blieb der eines Schwerenöters. Verliebt hat sich unser Kai Uwe nur in die Liebe, nie in eine seiner unzähligen Kürzestzeitsexualundlebenspartnerinnen.
Er brach viele Herzen, aber komischerweise waren die meisten seiner Ex-Geliebten immer wieder—gegen besseres Wissen— bereit neu mit ihm anzubandeln. Er war so was zwischen Salonlöwe und Möchtegern-Playboy. Ganz unmerklich kam er in die Jahre. Zur goldenen Hochzeit seiner hochbetagten Eltern richtete er im Ballsaal des angesagtesten Hotels der Stadt ein rauschendes Fest aus. Und da verlor er etwas, was er eigentlich nicht zu besitzen schien, sein Herz! Ja eine blutjunge Schönheit, mit einem Ansteckschild Antje Azubi, die am reichhaltigen Buffet ein ganzes Tablett voller Häppchen umgekippt hatte und nun mit hochrotem tränenüberströmtem Kopf dastand stach ihm nicht nur ins Auge sondern irgendwo ganz tief ins Gemüt. Als der Oberkellner Antje aus dem Saal verweisen wollte griff Kai Uwe sofort ein und bat die „Kleine“ zu einem Tanz!
Drei Monate später wurde Hochzeit gefeiert—im selben angesagten Ballsaal—Rache muss sein, dachten Antje und ihr Kai Uwe.
Antjes Kreuzberger-Berlinisch war zwar charmant, doch Kai Uwe erschauderte jedes Mal, wenn Antje mit den beiden Zwillingen—die nach kurzer Zeit die Familie vergrössert hatten—sprach. Der vor seiner Kindlichen Gattin so schüchterne ehemalige Schwerenöter korrigierte nie, nein er wiederholte alles was Antje den kleinen sagte mehrmals in gutem Deutsch, in der Annahme und Hoffnung, dass sein Beispiel Schule machen würde, doch es schien zwecklos zu sein. Die beiden Zwillinge lernten  waschecht zu berlinern, trotzdem war die Familie, so denk ich mal, überglücklich und Kai Uwe entwickelte sich zum behäbigen Pater Familias in Französisch auch mal Papa Gateaux genannt.



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