Oma starb
Anfang der Sechzigerjahre in einer reichen Gemeinde am Zürichsee. Sie war
einige Jahre zuvor, aus dem Nachkriegs—Berlin zu uns, das heisst, ihrer jüngeren Tochter mit
Familie, gekommen. Hier konnte sie einen ruhigen Lebensabend verbringen. Sie
war eine liebe Oma, alle hatten sie gern. Diese Gemeinde kümmerte sich um ihre
Einwohner, auch wenn sie alt und nicht vermögend waren. Die Kosten der
Abdankung wurden von der Gemeinde ausgerichtet .Nun war es so, dass die liebe
Oma immer dem Wunsche Ausdruck gegeben hatte mit ihrem schon vor langer Zeit
verstorbenen Mann beerdigt zu werden; und der lag in Berlin. Oma wurde kremiert,
was auch ganz in ihrem Sinne war; wie sollte sonst die Reise— durch die Zone –
es war ja in den Sechzigerjahren, von statten gehen? Einige Tage nach der Kremation, als die Urne
zum Abholen bereit stand, bat die trauernde Mutter ihren jüngsten Sohn, die
Urne ihrer Mutter, seiner Grossmutter, am Zürcher Friedhof abzuholen. Damit er
die Urne diskret nach Hause bringen könne gab sie ihm eine Reisetasche mit. Der
jüngste war, nun ja, ein wenig, wie soll ich sagen, unzuverlässig. Sicher holte
er Oma ab dann ging er, wie Mutter ihn gebeten hatte, fürs Nachtessen, Fisch
einzukaufen. Ja und dann war da das Café Odeon der Treffpunkt aller. Auch der Durst war
da, besser die Lust auf Gesellschaft und Entspannung. Und so fing er an Wetten,
um Bier, abzuschliessen. Wetten du
errätst nicht was in meiner Reisetasche ist? Keiner aber auch gar keiner erriet
weder Fisch noch Oma. Ein Bier gab das
andere; er schaffte es knapp den letzten Zug zu erwischen. An seinem Zielort
stieg er aus, Oma und der Fisch fuhren weiter bis zur Endstation. Der Empfang
zu Hause war, nun ja, nicht äusserst herzlich. Zum Glück klappte damals in der
Schweiz fast alles, Oma und Fisch kamen nach Hause. Nun musste Mutter nach
Berlin, mit Oma, aber ohne Fisch. Es war ihr irgendwie unangenehm Oma als
Reisegepäck aufzugeben, Oma war wieder in der Reisetasche. Glücklicherweise
waren damals noch keine Sicherheitskontrollen üblich! Die Stewardess bat die
Tasche ins Gepäckfach tun zu dürfen, das war der Mutter nicht recht, sie wollte
Oma in ihrer Nähe behalten. Daraufhin die Stewardess: „ja wenn sie da drin ihr
Frühstück haben… Am Flughafen in Tempelhof wurde Mutter von ihrem Schwager und
zwei Herren des Bestattungsamts, ganz in schwarz, erwartet. WO SIND
DIE PAPIERE FÜR DEN URNENTRANSPORT???? Trotz mangelnder Papiere fand Oma ihre letzte
Ruhe, nach abenteuerlicher Reise, neben ihrem Mann.
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