Sonntag, 12. Juli 2015

Diplopie oder späte Rache

Björn wachte eines Sonntagmorgens auf, er lag neben seiner Frau, es war noch sehr früh aber der Jahreszeit gemäss schon ganz hell, da erschrak er sehr. Ja als er zu seiner unförmig dicken Frau sah glaubte er im ersten Moment zu träumen, denn er sah sie zwar überdeutlich aber doppelt, es war furchterregend. Wie konnte es zu erklären sein? Björn war  Professor für Neurologie an der Universitätsklinik wo er das Departement für Neurowissenschaften, dem die Neurologie, die Neurochirurgie und die Neuroradiologie sowie ein grosses Forschungslaboratorium angehörten, leitete. Er war ein international anerkannter Fachmann, erst vor wenigen Jahren hatte er seinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert. Und nun dies! Dass er eine plötzliche Diplopie hatte ängstigte ihn überraschender Weise viel weniger als der Umstand seine Frau Josefine—genannt Josi—plötzlich im Doppelpaket zu sehen. Als er Josi kennengelernt hatte war er ein frischgebackener Arzt und arbeitete an der Klinik als Unterassistent. Schon am ersten Arbeitstag fiel ihm diese Schönheit auf. Josi war eine blutjunge Lernende, sie wollte Hilfsschwester werden, zu mehr reichten ihre schulischen Leistungen leider nicht. Schon nach wenigen Tagen kamen sie zusammen, sie war hinreissend schön und abgrundtief dumm aber trotzdem, oder gerade darum, sehr liebenswert auf ihre naive Art. Dass Josi nach kurzem schwanger wurde verschwieg sie ihm bis es selbst einem jungen Arzt auffallen musste, denn da sie wie ein Vögelchen ass konnte es sich nicht um  eine normale Gewichtszunahme handeln.                                                                                                                                                           Es kam zur Aussprache. War Josi so naiv oder doch viel raffinierter als sie vorgab zu sein? sie hatte geglaubt ein Arzt wisse schon wie man sich ohne Konsequenzen lieben könne, sagte sie, auch dass sie ihre Regel nicht mehr hatte war ihr vorher schon sehr oft passiert; ausserdem war sie ja, wie Björn genau wusste Jungfrau gewesen. An ihrer Jungfräulichkeit hatte Björn so seine Zweifel, aber beweisen konnte er es ihr natürlich nicht. Zu dieser Zeit gab es für einen anständigen Mann nur eine möglich Konsequenz, es wurde geheiratet. Anfangs und während den ersten Jahren –in denen noch drei weiter Kinder kamen—war alles recht erträglich. Die grosse Liebe war es nicht aber Björn und Josi kamen ohne viel Streit aneinander vorbei. Björn machte eine steile Karriere und hatte kaum Zeit sich um Frau und Kinder zu kümmern. Er wurde sehr jung schon Oberarzt, dann Dozent und schliesslich Professor. Sein Liebesleben spielte sich mit willigen Schwestern und Assistenzärztinnen vor allem in der Klinik und auf Kongressreisen ab. Björn war allerdings sehr vorsichtig geworden, da er ja schon vier Kinder hatte, sagte er allen Partnerinnen dass er  nun Vasektomiert worden sei, was auch der Wahrheit entsprach.                                                                                                                     Er war ein inexistenter Vater und ein unsichtbarer Ehemann, das Ehebett teilte er noch immer mit der unförmig dick gewordenen Josi, die sich vehement gegen getrennte Schlafzimmer wehrte—was sollen denn die Kinder, meine alten Eltern   und meine Freundinnen denken—war ihr Argument. Oft übernachtete er ja nicht zu Hause, denn er hatte sich in der Nähe der Klinik eine Garçonnière eingerichtet.                                                                                                                                                 Nun zurück zu jenem schrecklichen Morgen. Am Frühstückstisch sagte er weder Josi noch den Kindern etwas über seine Diplopie, erstens hätten die sowieso nichts kapiert und zweitens redete er kaum zu Hause. Da an diesem Sonntag der jüngste Sohn seinen Geburtstag feierte wurden die alten Schwiegereltern und Björns Mutter zum Mittagsessen erwartet. Es wurde ein sehr mühsamer Tag für Björn aber er hielt durch. Am Abend bestellte er sich ein Taxi und fuhr in die Klinik, selbst zu fahren traute er sich nicht. Björn wollte seine Kollegen nicht aufscheuchen und so wartete er bis Montag früh in seiner Garçonnière.                                                                                                                               Die Diagnose wäre selbst für einen Anfänger leicht und ohne Zögern gestellt worden,  Glioblastom in einem Stadium und einer Lokalisation, die keiner erfolgversprechenden Therapie  zugänglich war. Als überzeugter Atheist war sein Entschluss schnell gefasst, keine Therapie und zu seiner Genugtuung noch einen kleinen Racheakt so als Abschiedsscherz für Josi—die, er war nun überzeugt—ihn damals auf gemeinste Art reingelegt hatte um sich einen Arzt zu schnappen.                                                                                                                                                         So entschied er sich, seiner verhassten Frau einen grossen Schrecken einzujagen.  Josi schlief immer mit Ohropax und mit einem leichten Schlafmittel, weil sie angeblich wegen seines Schnarchens nicht einschlafen konnte—dass sie ihrer Fettleibigkeit wegen jede Nacht grosse Wälder absägte sei nur am Rande erwähnt—.An diesem Abend, als Josi so richtig „sägte“ also im Tiefschlaf war spritzte er sich einen wohlüberlegten Cocktail aus verschiedenen Muskellähmenden Substanzen der ihn in kurzer Zeit erstarren und dann ersticken lassen würden, ihm aber doch noch die nötige Zeit liessen Josi wachzurütteln damit sie seinen Todeskampf miterleben musste—er wusste, Josi hatte panische Angst vor dem Tod und vor Leichen—deshalb wollte er neben ihr im Ehebett sterben.Durch diese Suizidmethode konnte er bis zu seinem Ersticken den Horror in Josis Augen voll auskosten.

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