Sonntag, 16. August 2015

Eine Lebensgeschichte in 14 Minuten.

Am letzten Samstag ging ich zum Bahnhof in Oberwinterthur.  Ich war zu früh, der Zug fuhr erst in 14 Minuten. Ein älterer Mann begrüsste mich mit einem lebhaften Grüezi. Ich setzte mich auf die Bank da ich vom raschen Laufen etwas ausser Atem war. Der, sportlich gekleidete recht gepflegte Mann fragte mich ob dieser Zug in Wallrüti anhalte, ich antwortete er hält an allen Stationen bis Stein am Rhein. Nun redete der Mann ohne Unterbruch. Ja ich wohne in einem Doppel Familien Haus an der Rychenbergstrasse, das Haus gehört mir aber der Garten ist recht klein darum habe ich einen Garten in Wallrüti, nun fahre ich dorthin, ich fahre früh, weil es sonst zu heiss zum im Garten werkeln wird. Er hatte sicher gewusst dass der Zug in Wallrüti hält da er ja regelmässig in seinen Garten ging, wollte aber einen Grund haben ein Gespräch zu beginnen. Ich sagte ihm auf seine Frage hin, dass ich an der Römerstrasse Ecke Talacker wohne, worauf  er sagte .Da beim Schulhaus, da bin ich die ersten Jahre in die Schule gegangen, ja die Schule war anders als heute, wir waren sauber und folgsam, sonst gab’s mit dem Lineal auf die Finger. Ich war Gärtner bei der Stadt aber die letzten siebzehn Jahre—ich bin schon mit dreiundsechzig in den Ruhestand gegangen—war ich Gärtner im Friedhof, mit den Toten hatte ich nichts zu tun, nur mit den Pflanzen, sicher. Am zwanzigsten August gehe ich nach Finnland, meine Frau ist von dort, sie ist Finnin, der Flug ist dann viel billiger weil die Ferien vorbei sind ich bezahle dann nur siebenhundert Franken, aber das Mietauto kostet auch siebenhundert, ich finde es gschpässig, dass das Auto gleich teuer ist wie der Flug. Ja fischen tu ich dann dort, es hat viele Seen über tausend sagt man, ich fische mit einer Reuse ,die Hechte kommen ans Ufer wenn der See warm genug ist , ich habe fast jeden Tag einen Hecht im Korb, beim Rudern kann ich nicht mit dem Löffeli fischen weil meine Frau nicht mitkommt und alleine kann man’s nicht, das Rudern und das Löffeliziehen. Jeden Mittwoch gehe ich ins Zürcher Oberland, ich weiss nicht ob sie sich dort auskennen, ich nehm den Bus bis Hombrechtikon, dort treffe ich einen Freund und seinen Sohn ,der Freund ist dreiundachtzig der Sohn auch schon pensioniert, wir wandern zum Lützelsee und retour, dann nehmen wir ein Zvieriplättli und ein Eineli Wy .Weil ich schon sieben Jahre pensioniert bin ,bin ich auch schon siebzig, sie werden ja dann auch sehen, dass, wenn man  pensioniert ist man immer etwas vorhat; er fragte zwar nicht, machte aber eine Pause in seinem Monolog damit ich ihm mein Alter nenne. Ich sagte ihm, dass ich bis fast neunundsechzig gearbeitet habe und dies Jahr dreiundsiebzig werde. Er sah mich etwas ungläubig an sagte dann aber dass er seinen Sohn oft in Wädenswil besuche, meist am Donnerstag.   Er ist fünfunddreissig und an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft. Dort ist er für die Technik verantwortlich –für die Haustechnik—Heizung Lüftung Wasser einfach alles Wichtige. Er hat sich selbst weitergebildet und auch ein schönes Diplom, ja er macht etwas aus seinem Leben hat auch mit der Freundin zwei Kinder ,der Kleine ist schon vier Monate alt und die Mutter der Freundin hat Alzheimer und ihnen das Haus gegeben, der Vater der Freundin lebt auch in der Nachbarschaft und hilft beim Kinderhüten gern mit. Er, der Vater der Freundin kommt auch oft mit mir, sagt er, in den Wald um zu holzen, ich nehme Maschinen er aber arbeitet nur mit Axt, Beil und Säge von Hand; wir beide heizen viel mit Holz und  ich habe ja diesen Wald, auch im Oberland, vom Vater geerbt und er bekommt das Holz umsonst, klar er ist ja der andere Grossvater. Einmal war ich mit auch der Frau und andern die wir kennen in Thailand eine Woche mit der Migros jede Nacht in einem andern Hotel bis an die Grenze von—wie heisst das Land das vorher Burma war—? Ach ja Myanmar, und dann eine Woche Badeferien in …. Ich suggerierte Phuket, nein Ko…  Ich fragte Ko Samui? ja warum kennen sie das waren sie auch mal in Thailand.Ich bejahte ohne ihm zu sagen dass ich mehrmals dort war, denn er sagte mir es sei schön gewesen aber nun kenne er ja Thailand und müsse nicht mehr dorthin oder sonst in diese Gegend. Mit seinen Kollegen von der Arbeit geht er auch ab und zu „eis go näh“ so am Freitagnachmittag, man will ja wissen wie es allen geht, manche sind ja krank oder schon gestorben aber Hauptsache man hat die Gesundheit gäll ! Der Zug fuhr ein, wir wünschten uns einen schönen Tag und er fuhr die eine Station bis Wallrüti. Schon toll, dass ein ganzes Leben in vierzehn Minuten Platz finden kann,  wenn man „verzälle“ kann.

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