Freitag, 14. August 2015

Schöngeredet, gar schöngesoffen? oder ein Beispiel luzider Selbsteinschätzung!

Sie war wirklich nicht schön, ganz im Gegenteil, man musste zugeben, so hässlich war wohl in der ganzen Stadt keine. Trotzdem verliess  sie die Bar fast nie alleine. Es war nicht nur die eine Bar oder Kneipe, nein Alice frequentierte alle Orte wo man ein Glas trinken und sei’s am Tisch oder eben an einer Bar Bekanntschaften schliessen oder meist sogar erneuern konnte. Betrachtet man es genau, war eigentlich nur ihr Gesicht hässlich ansonsten hatte sie einen durchschnittlichen unauffälligen Körper. Allerdings legte sie keinen Wert auf Kleidung, sie war ungepflegt,  lief immer in abgetragenen Pullis oder Blusen, flachen Schuhen und zerrissenen Jeans rum; ja ihrer Kleidung nach hielt sie , wer sie noch nicht kannte,  für eine Clocharde. Alice hatte einen Vorteil, sie war wohlhabend, nicht sehr reich aber eben wohlhabend. Es genügte um komfortabel ohne finanzielle Probleme zu leben und sich fast alles leisten zu können. Tagsüber arbeitete sie im Geschäft, dass ihr verstorbener Vater ihr hinterlassen hatte. Sie hatte, bis sie fast vierzig war, mit dem doch, sehr schrulligen, Vater zusammen gelebt, ihre Mutter war kurz nach ihrer Geburt spurlos verschwunden, bis heute ist es nicht klar was damals geschehen war. Man munkelte — aber man munkelt ja viel —, dass sie ermordet oder entführt worden sein könnte, genaueres weiss man nicht und der Vater hat das Geheimnis—wenn es überhaupt eines gab—mit ins Grab genommen. Die ganze Stadt wusste, dass ihre Mutter eine Schlampe gewesen war und dass ihr Verschwinden für ihren Vater sicherlich eine Erleichterung gewesen sein musste. Zurück zu Alice, sie war wie schon gesagt hässlich aber auf eine ganz subtile Art, für viele Männer—vor allem junge Männer—doch sehr anziehend. Lag das etwa an ihrer kumpelhaften Art oder an den deftigen Geschichten und Witzen die sie laut lachend zum Besten gab oder war sonst noch etwas mit im Spiel? Alice brauchte die fast tägliche Bestätigung dass sie noch immer mit über fünfzig Jahren dazu im Stande war einen jungen Liebhaber für eine Nacht abzuschleppen; manchmal in Ausnahmefällen blieb sie mit dem jungen Liebhaber mehrere Tage verschwunden. Ob die Tatsache, dass sie nur Champagner trank und trinken liess eine Rolle gespielt hat, dass sie immer Erfolg hatte bei den Männern die sie ins Visier nahm weiss man nicht, aber klar scheint, dass Alice ausser reichlich Champagner keine Geschenke machte. Mehrere ihrer Liebhaber, versuchten sich dauerhaft an Alice zu binden, auch Heiratsanträge erhielt sie des Öfteren, sie war aber viel zu luzide um dahinter nicht ein pekuniäres Interesse zu wittern. Sarkastisch fragte sie dann: „es ist doch nicht meine hässliche Visage sondern mein Geschäft und Bankkonto die in dir mein „Schatzi“ die grosse Liebe erweckt haben“ dies begleitete sie mit schallendem Gelächter.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen