Sie waren alle Beide nicht mehr jung. Marlies war doch schon
siebenundfünfzig, Bodo elf Jahre älter. Kennengelernt hatten sie sich auf einer
Wanderreise im Norden Indiens im Ladakh. Als Bodo mit Durchfall und Fieber im
Kamp bleiben musste erklärte sich Marlies spontan dazu bereit, im Kamp bei ihm
zu bleiben und Bodo zu pflegen, es störe sie nicht, mal einen Tag lang
auszuruhen, denn der Trip war doch anstrengender als sie erwartet hätte. Sie
fanden Gefallen aneinander, ja es funkte wie in Teenager-Zeiten. Dies war nun
etwa vier Jahre her. Heiraten wollten sie alle Beide nicht mehr, nach schlecht
verlaufenen Ehen und noch viel schlechter erlebten Scheidungen. Kinder hatten
beide nicht, aber komischerweise waren in beiden Ehen Stiefkinder vorhanden,
die die neuen Partner Ihres Elternteils nie akzeptiert und ihnen das Leben zur
Hölle gemacht hatten. Sie waren oft zusammen, lebten aber jeder in einer
anderen Stadt und Wohnung. Alle Beide, besonders aber Bodo träumten von
Gemeinsamkeit, ach wäre das schön zusammen zu wohnen. Du Marlies könntest ja in
Rente gehen, dann wären wir beide Ortsungebunden und könnten uns ein Haus
kaufen, ein einfaches Haus auf dem Land wäre sicherlich erschwinglich. Das Haus
wurde gefunden und erworben, es war beider Traumhaus an einem kleinen Bach
gelegen in einem Birkenhain. Da nun alle Beide nicht mehr arbeiteten begannen
sie—obwohl sie schon da wohnten—mit der Restaurierung, die immer mehr Schäden
und Probleme aufdeckte. Der hübsche Bach liebte ihr Haus so sehr, dass er ihm
immer näher kam, sie brauchten professionelle Hilfe. Ihr Erspartes schrumpfte
zusehends. Endlich nach fast zwei Jahren Fronarbeit war alles zu einem guten
Ende gekommen. Es war kurz vor Weihnacht als Bodo eines Morgens unter der
Dusche einen etwa Baumnussgrossen Bobbel unter der linken Achsel entdeckte. Der
Bobbel war absolut schmerzlos, Bodo schwieg, erst an Heilig Abend hielt er es
nicht mehr aus, seine Sorge und—ja sagen wir es ruhig—Angst wurden zu
belastend. Er sagte es beim traditionellen Weihnachts-Essen, das sie der
Feierlichkeit halber bereiteten –sie waren beide Atheisten—. Das gute Essen
blieb fast unberührt, Marlies war unter Schock und brauchte Trost vom
ängstlichen Bodo; so ist es ja oft, dass der Kranke die Gesunden trösten muss. Die
Erkrankung war ernst aber nicht Lebensbedrohlich. Es folgte Bestrahlung und
Chemotherapie. Dann kam das Frühjahr, an die Realisierung der vielen Reisepläne
und an Gartenarbeit war nicht mehr zu denken. Die Distanz des „Traumhauses“ zur
Klinik wurde zu einem fast unüberbrückbaren Problem. Bald war es Marlies klar,
dass das so ersehnte Haus verkauft werden musste und dass eine Stadtwohnung in
der Nähe des Spitals besser zur neuen Lebenssituation passte. Und so wurde aus
dem Traum ein Albtraum, der dank des energischen Einschreitens von Marlies zu
einem guten Ende kam.
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